„Abiy ist ein Faschist“

„Abiy ist ein Faschist“

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Eine Demonstration bezüglich des Konfliktes in Amhara © Verein zur Förderung des Amhara Volkes in Berlin e.V.

Interview mit dem Verein zur Förderung des Amhara Volks in Berlin e.V

Laut der Zeitung „Frankfurter Rundschau“ will Premierminister Abiy Ahmed Ali Äthiopien in einen zentralistischen Staat umwandeln. Amharische Aktivisten behaupten jedoch, er versuche, die Macht der Oromo-Elite im Land zu festigen. Was können Sie uns über den Oromo-Nationalismus sagen und welche Rolle spielte er beim Ausbruch des Krieges in Amhara?

Premierminister Abiy Ahmed hat das von der TPLF eingeführte ethnisch-föderale System nicht abgeschafft, sondern unter der Führung seiner Oromo Prosperity Party (OPP) fortgeführt. De facto liegt die gesamte politische, wirtschaftliche und militärische Macht in seinen Händen. Obwohl das Land offiziell als Föderation organisiert ist, dient diese Struktur nur als Deckmantel für die Herrschaft einer kleinen Oromo-Elite. Dies stärkt die nationale Einheit nicht, sondern schwächt sie weiter.

Die amharischen Milizen, die Fano, kämpfen gegen die äthiopische Regierung. Was sind die Ziele der Fano?

Die Fano, eine Selbstverteidigungsbewegung des Volkes der Amhara, wollen das physische Überleben der Amhara sichern und ihre kulturelle und religiöse Identität schützen. Außerdem kämpfen sie dafür, dass die Amhara an der Macht in Äthiopien beteiligt werden. Damit sollen Sicherheit, Zugang zu Ressourcen, Bildung und kulturelle Existenz garantiert werden. Darüber hinaus wollen sie den ethnischen Föderalismus überwinden, der Äthiopien gespalten hat. Das Ziel ist ein vereintes Äthiopien mit gleichen Rechten für alle Völker. Derzeit kontrolliert die Fano 80 Prozent der Region Amhara. Auch andere ethnische Gruppen, insbesondere aus Gambela und Afar, unterstützen die Fano.

Warum geht Abiy Ahmed Ali so hart gegen die Amhara vor?

Die Regierung unter Premierminister Abiy Ahmed nutzt eine Erzählung von angeblicher historischer Unterdrückung der Oromo, um ihre Macht zu legitimieren und die politische Macht der Amhara bewusst zu schwächen. Abiy hat deutlich gemacht, dass er den Amhara langfristig jegliche politische Macht verweigern will.

Im April 2023 wurden die Sicherheitskräfte der Amhara systematisch entwaffnet – obwohl sie keine politische Vertretung haben und in vielen Regionen Äthiopiens Opfer massiver Gewalt sind. Gleichzeitig bleiben bewaffnete Gruppen wie die TPLF und die OLF/OLA aktiv.

Nach der Entwaffnung wurden zahlreiche Amhara aus ihren Häusern gezerrt, verhaftet oder ohne Gerichtsverfahren getötet. Diese brutale Unterdrückung führte zur Wiederbelebung der Fano-Bewegung als Ausdruck der Selbstverteidigung gegen staatlich geförderte Gewalt.

Ist Äthiopien auf dem Weg in die Diktatur?

Es ist sogar noch schlimmer, denn Abiy ist ein Faschist. Anfangs wurde er wegen seines Friedensabkommens mit Eritrea als Hoffnungsträger gefeiert. Doch Monate später zeichnet sich ein anderes Bild ab: Er regiert mit autoritärer Härte, toleriert und unterstützt ethnisch motivierte Gewalt und setzt bewusst regierungsnahe Milizen ein, um die Bevölkerung einzuschüchtern und zu verfolgen. Diese Milizen entführen, erpressen und massakrieren Amharen, insbesondere in Oromia und Benishangul-Gumz, mit stillschweigender Duldung des Staates. Zwischen den Worten von Abiy Ahmed und seinen tatsächlichen Taten klafft eine riesige Lücke, wie sein ehemaliger Friedensminister T. Dendea kürzlich in einer öffentlichen Erklärung offenbarten.

Wie steht die Bevölkerung in der Region Amhara zu dem dortigen Konflikt? Sympathisiert sie eher mit den Fano oder mit der äthiopischen Zentralregierung? Oder versucht sie einfach nur zu überleben?

Die Bevölkerung in Amhara sympathisiert eindeutig mit den Fano, da sie die einzigen sind, die Schutz vor den gezielten Angriffen der Regierung von Abiy Ahmed bieten. Viele betrachten die regionalen Führer als Komplizen, weshalb die Menschen in Amhara zwischen Widerstand und reinem Überlebenskampf gefangen sind.

Welche Auswirkungen hat die Politik von Abiy Ahmed Ali auf die Bevölkerung in Amhara und auf die amharische Diaspora in Deutschland?

Die Politik von Abiy Ahmed hat katastrophale Folgen für die Bevölkerung in Amhara: Die Region wird durch Bombenangriffe, Massenvergewaltigungen, Vertreibungen und humanitäre Blockaden verwüstet. Über sieben Millionen Menschen sind bedroht. Auch die Diaspora leidet, da fast jede Familie Angehörige verloren hat. Trotz der schwierigen Bedingungen organisiert sie regelmäßig Demonstrationen, Aufklärungsveranstaltungen und Hilfskampagnen.

Amnesty International berichtet von Massenverhaftungen in Amhara auf Befehl der äthiopischen Regierung. Es gibt auch Berichte über außergerichtliche Hinrichtungen. Was steckt hinter diesen beiden Vorfällen?

Die Amhara sind staatlich organisierter Verfolgung ausgesetzt. Insbesondere seit 2019 wurden Zehntausende Amhara-Intellektuelle aus politischen Gründen willkürlich verhaftet, massakriert, vertrieben und außerhalb der Regionen verfolgt. Unter ihnen sind Gemeindevorsteher, Politiker, Journalisten, Lehrer, Menschenrechtsaktivisten und Mitglieder der Zivilgesellschaft. Die Verhafteten werden gefoltert, sexueller Gewalt ausgesetzt und in Einzelhaft gesteckt. Hinzu kommen außergerichtliche Hinrichtungen durch Regierungstruppen. Nicht zu vergessen sind die Drohnenangriffe auf zivile Ziele. Dies ist eine Form der kollektiven Bestrafung ohne Rechenschaftspflicht.

Welche Möglichkeiten haben die Menschen in Amhara, sich gegen die äthiopische Regierung zu verteidigen?

Die Menschen in Amhara leisten seit Jahren friedlichen Widerstand: mit Protesten, Appellen und Demonstrationen. Doch statt Gehör zu finden, werden die Demonstranten verhaftet, erschossen oder zum Schweigen gebracht. Ihnen wird sogar das Recht auf Versammlung verweigert.

In vielen Regionen – insbesondere außerhalb der Amhara-Region – werden sie systematisch entrechtet, vertrieben und ermordet, ohne politische Vertretung oder Schutz.

In einem Staat, der weder Gerechtigkeit noch Schutz bietet, bleiben den Menschen nur noch ziviler Widerstand, internationale Aufmerksamkeit und als letztes Mittel die bewaffnete Selbstverteidigung aus purem Überlebenswillen.

Wie unterstützt Ihr Verein hier in Deutschland die Menschen in Amhara?

Die Vereinigung zur Förderung des Amhara-Volkes arbeitet mit verschiedenen Amhara-Vereinigungen weltweit zusammen und gibt dem Amhara-Volk eine Stimme. Zu unseren Aktivitäten gehören die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen gegen das Amhara-Volk und die Arbeit in den sozialen Medien. Wir führen Gespräche mit Politikern, um gezielten Druck auf die äthiopische Regierung auszuüben. Wir vernetzen die Diaspora und leisten humanitäre Hilfe für Flüchtlinge. Außerdem organisieren wir Diskussionsrunden, Workshops und Publikationen zur politischen Lage.

Was sagen Sie zum Schweigen anderer Länder?

Ausländische Politiker und Diplomaten in Addis Abeba wissen viel über die Geschehnisse in Äthiopien, aber sie schweigen. Wir akzeptieren, dass deutsche Politiker sich nicht in Äthiopien einmischen wollen. Aber sie sollten auch aufhören, Abiy Geld zu transferieren, das er für den Kauf von Waffen verwenden kann.

Wie bewertet Ihr Verein die Berichterstattung in Deutschland über den Amhara-Konflikt? Welche Informationen werden zurückgehalten oder sogar falsch dargestellt?

Unserer Ansicht nach ist die deutsche Berichterstattung über den Krieg gegen das Volk der Amhara unvollständig und sogar unterdrückt. Berichte über Massaker, Vergewaltigungen, Vertreibungen und Entführungen seit 2020 werden weitgehend ignoriert. Abiy Ahmed Alis Machtgier wird selten kritisch hinterfragt, während der beendete Krieg in der Region Tigray ein großes Thema bleibt. Es muss gesagt werden, dass über die täglichen Drohnenangriffe auf Zivilisten, die Vergewaltigungen oder die außergerichtlichen Hinrichtungen kaum berichtet wird, da die regionalen Führer der Amhara selbst Komplizen und der verlängerte Arm von Abiy Ahmed sind und die Verbrechen vertuschen. Wir fordern die Medien auf, differenziert und faktenbasiert über den Amhara-Konflikt zu berichten, anstatt die Regierungsnarrative aus Addis Abeba nachzuplappern.

Die Fragen stellte Aleksandar Abramović

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