Buch-Kritik: „Blume des Trostes“ von W. E. Mkufya

Buch-Kritik: „Blume des Trostes“ von W. E. Mkufya

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Mit „Blume des Trostes“ gelingt dem tansanischen Autor William E. Mkufya ein tiefer Einblick in die Seele der tansanischen Gesellschaft. In existentialistischer Manier widmet er sich den Sinnfragen des Lebens. Ein außergewöhnliches Buch in doppelter Weise: Denn nur wenig swahilisprachige Romane wurden in europäische Sprachen und nahezu keine ins Deutsche übersetzt.

Foto: Edition Pamoja

Omolo, ein junger stellvertretender Geschäftsführer einer deutschen Fischkonservenfabrik, steht nach einer schlaflosen Nacht an einem Strand der ostafrikanischen Millionenstadt Dar es Salaam. „Warum musste der Mensch damit bestraft werden, geboren zu werden?“ fragt er sich. Omolo, ein Zweifler, ein Existentialist, befürchtet, mit dem HI-Virus angesteckt worden zu sein. Und denkt darüber nach, den Freitod zu wählen. Omolo ist keine real existierende Person, er ist Hauptcharakter im kürzlich auf Deutsch erschienenen Roman „Blume des Trostes“ des tansanischen Schriftstellers William Mkufya. Im Roman treffen (ost-)afrikanische Traditionen auf westliche Einflüsse, Christentum auf Islam, sich emanzipierende Frauen auf Vertreter zweifelhafter Männlichkeiten.

Etwa vier Millionen Menschen leben in Dar es Salaam, der inoffiziellen Hauptstadt Tansanias, in der Mkufyas Roman spielt. Mit seinem Roman gelingt es dem Literaten, seinen Leser_innen einen Einblick ins Leben dieser Metropole und ihrer Bewohner_innen zu geben. In der Tradition des tansanischen Realismus beschreibt Mkufya detailliert die Höhen und Tiefen des alltäglichen Lebens. Er nimmt einen mit, in die typischen kleinen Bars, in denen Tusker-Bier fließt und spielerisch geflirtet wird, während der Geruch von gerösteten Fleischspießen die Luft durchströmt,
in die Spannungen einer christlich-muslimischen Ehe und in das Leben eines verunsicherten, nach Sinn suchenden, Junggesellens.

Mkufya gewährt Einblick auf Beerdigungen, in denen sich Nachkommen über das Erbe streiten, aber auch in das Leben einer von AIDS gebeutelten Familie. Geschickt verwebt Mkufya mit dem Faden des sich ausbreitenden HI-Virus existentialistische Sinnsuche, afrikanische Identitätsfragen und postkoloniale Diskurse. Entstanden ist ein Vorzeigewerk des Swahili-Romans tansanischer Prägung.

Es ist keine Überraschung, dass Mkufya die Stadt als Handlungsraum für seinen Roman gewählt hat. Urbanität und Moderne sind in Ostafrika eng mit HIV und AIDS verknüpft. Schon im ältesten, das Thema behandelnden Swahili-Theaterstück „Ushuhuda wa Mifupa“ (1990) von Ibrahim Ngozi, sind Städter_innen die Wurzel allen Übels. Und nicht zufällig ist „ugonjwa wa kisasa“, übersetzt moderne Krankheit, eine der frühesten metaphorischen Bezeichnungen für AIDS im Swahili.

blumedestrostes-mkufyaWäre Mkufya diesem tradierten Narrativ gefolgt, so hätte er es sich zu einfach gemacht. Als erfahrener Autor und Bewohner Dar es Salaams mag er dies gewusst haben. Also beschreibt Mkufya eine Stadt, die brummt und blüht, in der es aber auch chaotisch wuchert. Einen Raum, in dem Menschen unterschiedlichster Coleur leben: Ärzte, Akademiker_innen, Hausfrauen, Geschäftsleute, Busfahrer, Schüler_innen und Marktfrauen. Einer von ihnen ist Dr. Hans, der in einer Beratungsstelle für AIDS-Kranke arbeitet und nebenbei ein eigenes Krankenhaus unterhält. Er ist es, der der tansanischen Gesellschaft eine noch viel schwerwiegendere Krankheit als medizinisches AIDS diagnostiziert – soziales AIDS. Identität, Patriotismus, Intelligenz und Glauben seien davon bereits „verschlungen worden“. „Ich weiß heute nicht mehr, was ein Sukuma ursprünglich geglaubt hat. […] Wir [sind] bis zum Hals europäisiert, ausgenommen die Nasen und das Haar,“ stellt Dr. Hans bitter fest. Übrig geblieben ist „eine Identität wie ein Gedicht ohne Reim – eine ungereimte Identität, die weder Resonanz noch Harmonie besitzt“.

Diese scharfe Kritik am aktuellen gesellschaftlichen Zustand und der (welt-)politischen Situation, zieht sich in Gestalt des Dr. Hans durch das ganze Buch. Immer dann, wenn es ans politisch Substantielle geht, taucht der Arzt auf. Als einflussreicher Akademiker erinnert er an den Typus des selbstbewussten afrikanischen Politikers kurz nach Erreichung der Unabhängigkeit. Er ist ein Intellektueller, der mit Sachverstand argumentiert, visionär an eine bessere Gesellschaft glaubt, mit Überzeugung seiner Arbeit nachgeht. So einleuchtend manch seiner Positionen sind, so stark können einem seine exorbitant langen, moralisierenden und plakativen Monologe ermüden. Das kann die Lesefreude manchmal etwas trüben.

Nichtsdestotrotz, William Mkufya ist es mit „Blume des Trostes“ gelungen, einen überaus interessanten und nachdenklichen Roman zu schreiben, der sich zwischen Camus „Der Fremde“ und Amérys Diskurs über den Freitod einordnen lässt. Wenn auch die deutsche Version im Vergleich zum Original „Ua la faraja“ die ein oder andere holprig übersetzte Stelle aufweist, gebührt der Übersetzerin Barbara Schmid-Heidenhain Respekt. Nur wenig Prosa wurde bisher vom Swahili in europäische Sprachen übersetzt. Dank ihrer Mühen ist deutschsprachigen Leser_innen erstmals ein Teil von Mkufyas Werk als auch bedeutender tansanischer Gegenwartsliteratur zugänglich gemacht worden.

„Blume des Trostes“ von W. E. Mkufya, Edition Pamoja, 19,90 Euro

Daniel Koßmann

William E. Mkufya ist im Mai und Juni auf Lesereise in Deutschland. Bisher sind folgene Termine bestätigt. Die Veranstaltungen sind für alle Interessierten zugänglich.

25. Mai 2017, 17.30-19 Uhr
Iwalewahaus, Wölfelstraße 2, 95444 Bayreuth,

29. Mai 2017, 18-19.45 Uhr
Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität
Invalidenstraße 118, 10115 Berlin

1.Juni 2017, 10.15-11.45 Uhr
Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg
Edmund-Siemers-Allee 1, 20146 Hamburg

20. Juni 2017, 18.30-20.00 Uhr
Deutsche Afrika Stiftung, Ziegelstraße 30, 10117 Berlin

22.Juni 2017, ab 17 Uhr
Geisteswissenschaftliches Zentrum (GWZ) der Universität Leipzig
Raum 2010 – Hörsaal Foyer, Beethovenstraße 15, 04107 Leipzig