Kamerun Konflikt: Stimmen aus der Diaspora
Konflikte entstehen zumeist, wenn konträre Weltansichten oder auch unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, wenn die eine Seite Ansprüche stellt, für die auf der anderen Seite kein Verständnis herrscht, wenn kontroverse Debatten zu kompromisslosen Aufeinandereinreden ausufern. Der anglophon-frankophone Konflikt in Kamerun ist in den vergangenen Jahren zunehmend angeschwollen und hat seine Ursprünge hauptsächlich in den Erfahrungen mit der zuerst englischen, dann französischen Kolonialzeit.
Wir haben Stimmen aus der kamerunischen Diaspora in Deutschland gesammelt. Ruth, Fabrice, Maestro und Emmanuel setzen jeweils ihre eigenen Schwerpunkte und zeigen auf, dass die Meinungen teils weit auseinander gehen können. Es gibt nicht bloß die „eine“ frankophone und die „andere“ anglophone Perspektive. Mehr zum Thema Kamerun und der aktuellen Situation gibt es in der neuen LoNam-Ausgabe.
Ruth (Berlin): Die Frankophonen bedrohen Anglophone mit Aussagen wie „Wir werden sie alle ermorden, bis zur letzten Person.“
„Die englischsprachige Bevölkerung verlässt die französische Zone aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen. Die Anglophonen werden von den Frankophonen bedroht: ‚Wir werden sie alle ermordet, bis zur letzten Person‘, sagen sie uns. Immer muss erklärt werden, dass es keinen Krieg zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen gibt. Die Englischsprechenden haben die Nase voll von den alltäglichen Demütigungen der Französischsprechenden. Statt mit der anglophonen Bevölkerung zu debattieren, versucht die Regierung in dem Konflikt, die Französischsprachigen einzubeziehen. Die Armee hat Häuser niedergebrannt, Kinder, Frauen und ältere Leute sind ermordet worden, andere sind in den Wald geflohen.“
Fabrice (Bergneustadt): Es gibt keinen Krieg zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen; vielmehr sind die Anglophonen viel mutiger als die Frankophonen.
„Die Lage ist nicht, wie sie in den Medien berichtet wurde, Frankophone und Anglophone leben zusammen in Harmonie. Wir erleben zurzeit einen Konflikt zwischen dem Regime und den Anglophonen.
Sie leiden beide an den gleichen Übeln und sind beide Opfer des Regimes. Es ist nur so, dass die Anglophonen den Mut hatten, laut zu rufen, was die Frankophonen leise denken. Sie hatten den Mut, sich auf die Bühne zu stellen und zu sagen, dass sie es jetzt satt haben. Am Anfang gab es zwei Teile Kameruns und jeder hatte seine eigene Regierung. Jetzt, wo die beiden Teile Kameruns vereinigt sind, entspricht die Administration in der englischen Zone nicht den offiziellen Vorgaben. Es gab dort bisher zwei Strafgesetzbücher. Nach dem Abitur haben Schüler*innen entweder in Nigeria studiert, wenn die Eltern genug Geld hatten, oder sie haben versucht, sich dem aktuellen System anzupassen.
Ein weiterer Grund ist, dass die ökonomische Lage in der englischen Zone trotz der Ölvorkommen schlecht ist. Meist sind die Anglophonen von höheren Positionen ausgeschlossen, so hat bisher beispielsweise auch keiner von ihnen eine der Ölraffinerien geleitet. Zusammenfassend bleibt der Eindruck, dass es sich nicht um dasselbe Land handelt. Diese Ungleichheit brachte die anglophone Bevölkerung nicht etwa gegen die Frankophonen, sondern gegen die Regierung auf. Jetzt, wo mehr als 1000 Menschen in die Wälder geflohen sind, sind die Frankophonen auf der Suche nach Unterstützung und protestieren mit den Anglophonen gegen die Massaker.“
Maestro (Berlin): Es geht um das Problem Kameruns und nicht um die Probleme der Englischsprechenden.
„Es ist übertrieben zu sagen, dass die Anglophonen in Kamerun marginalisiert sind. Sicher gibt es darüber hinaus aber eine Krise des gesamten Landes und der Auslöser ist der Präsident Paul Biya. Was die Anglophonen aufzeigen, ist etwas, das im ganzen Land erlebt wird. Deshalb finde ich es übertrieben von einer Marginalisierung der Englischsprechenden zu reden. Beispielweise sind von den acht oder neun Universitäten Kameruns zwei englischsprachig, in Bamenda und Boa. An den anderen Universitäten kann man Klausuren entweder auf Französisch oder auf Englisch schreiben. Ein Auslöser der Krise lässt sich mit den Ölvorkommen erklären, die vor allem in den englischen Regionen gefunden wurden. Wegen dieser neuen Ölvorkommen denken die Anglophonen, dass es besser ist, wenn dieser Teil die Unabhängigkeit von Kamerun beansprucht. Es ist also zunächst eine Krise Kameruns und die Spannungen zwischen Englischsprechenden und Französischsprechenden muss man als Teil davon sehen.“
Emmanuel (Bochum): Es geht primär um die Rohstoffe und nicht die Sprachen.
„Wir Kameruner müssen über den französischen/englischensprachigen Konflikt hinaus lesen können. Es gibt keinen tatsächlichen Konflikt, aber man provoziert einen, um ans Öl zu gelangen. Und ich nenne sie wörtlich: Es sind Frankreich und England, die solche Probleme erwecken. Lang haben wir in Harmonie mit unseren afrikanischen Sprachen gelebt. Diese Sprachen – Französisch und Englisch – hatten kaum Bedeutung für uns, weil sie fremd waren. Die kamerunische Diaspora sollte sich fragen, wer von dem Konflikt profitiert. Wissen Sie, in den Ländern, in denen es kein Öl oder Magnesium gibt, in den Ländern lässt man die Leute in Ruhe. Zuletzt wurde Öl im Senegal gefunden, ein Land, das für seine Stabilität bekannt ist. Und jetzt sieht man die Spannung zwischen den ethnischen Gruppen den Wolof und Tukuleur oder den religiösen Gruppen der Muriden und der Tidianien.“