Wie Afrika nach Wedding kam – Ein Spaziergang mit Berlin Postkolonial

Wie Afrika nach Wedding kam – Ein Spaziergang mit Berlin Postkolonial

0 4511

In Berlin-Wedding tragen viele Straßen afrikanische Namen. Was im ersten Moment wie eine Ehrung wirken kann, stellt sich schnell als Farce heraus. Geehrt werden nämlich nicht afrikanische Länder und Regionen, sondern der deutsche Kolonialismus mit samt seiner Gräueltaten. Mein erster Stadtrundgang mit Berlin Postkolonial.

Foto: Lars Molzberger

Es war ein ausgesprochen schöner herbstlicher Samstag an dem sich die Teilnehmenden am U-Bahnhof Afrikanische Straße trafen, um an einem performativen postkolonialen Rundgang im afrikanischen Viertel in Wedding teilzunehmen. Organisiert wird der Stadtrundgang von Berlin Postkolonial, ein Verein, der im Rahmen seines Projektes „Just Listen. Globalgeschichte(n) von unten und zivilgesellschaftlicher Dialog“ Perspektiven und Geschichten von Rassismus betroffenen Menschen und den Nachfahren ehemals kolonialisierter Personen in Vordergrund stellt.

Das Programm „Peduka“, auf Oshiwambo „wach auf“ verbindet Poesie mit Geschichte und begibt die Teilnehmenden auf eine performative Erinnerungsreise der dekolonialisierten Art. „Wach auf“ trifft dabei auf den Punkt, denn thematisiert wird in diesem Stadtrundgang die in Deutschland sonst verdrängte koloniale Vergangenheit und deren Auswirkungen bis heute.

Geführt wurde dieser Rundgang von Mnyaka Sururu Mboro, Gründungsmitglied von Berlin Postkolonial, der durch sein imenses historisches Wissen deutsche Kolonialgeschichte in die heutigen Straßen Berlins „zurück“holt. Fragen wie: „Wie ist das afrikanische Viertel überhaupt zu seinem Namen gekommen?“; „Warum weisen hier so viele Straßennamen auf Afrika hin?“; „Wer sind die Leute deren Namen unsere Straßenschilder tragen?; und „Warum ist es notwendig manche Straßen umzubennen?“ werden in diesem Rundgang gehörig auf die Spur gegangen.

Nebenbei erklärt Mboro die Arbeit, die die Initative Berlin Postkolonial seit nun schon zehn Jahren leistet. Die Mitglieder bemühen sich um eine kritische Aufarbeitung der kolonialen Geschichte Deutschlands und setzten sich für eine antirasstistische, kolonialkritische Auseinandersetzung mit eben dieser ein. Zu ihren wichtigsten Errungenschaften, in Kooperation mit anderen postkolonialen Initativen, kann dabei die Umbenennung des Gröbenufer in das heutige May-Ayim-Ufer gezählt werden.

Stefanie-Lahya Aukongo, freischaffenden Künstlerin, die dem Rundgang anhand ihrer Poesie eine besondere, persönliche Note verleiht, begleitet diese Führung. Ihre wunderbar empowernden wütenden, aber auch versöhnenden Stücke wie „Mein Stolz“, „Satt, satt immer satt“,“Weh-Fragen“ und „Nimm es hin“ machen auch Nicht-Betroffenen bewusst, dass das Zusammenleben von Menschen in Deutschland auch noch heute von einem kolonialrassistischen Gedankengut beeinflusst ist. Selbst der Flugzeuglärm hatte an diesem Nachmittag eine Aufgabe: Er hielt unsere Gruppe regelmäßig zum anmutigen Schweigen an. So verwandelte sich der Stadtrundgang zu einer Art Mahnwache.

Foto: Lars Molzberger
Foto: Lars Molzberger

Berlin Postkolonial e.V. schafft es auf den Stadtrundgängen Deutsche Geschichte allgegenwärtig werden zu lassen. Wer also mehr über den Kiez und die koloniale Geschichte Deutschlands, aber auch über die Arbeit des Vereins lernen möchte sollte sich diese Führung nicht entgehen lassen.

Victoria Jeffries

Ähnliche Beiträge