Compact with Africa – ein Gewinn für die nachhaltige Entwicklung?
Seit Beginn der G20 Präsidentschaft Deutschlands rückt die Afrikapolitik der Bundesregierung immer weiter in den Fokus. Nach dem Marshallplan des BMZ und der Pro! Afrika-Initiative des BMWI startete nun auch die vom Bundesfinanzministerium initiierte Kampagne Compact with Africa im Rahmen einer internationalen Konferenz mit dem vielversprechenden Titel „G20-Africa Partnership – Investing in a Common Future“, die Anfang Juni 2017 in Berlin stattfand. In diesem Zusammenhang stellt sich zunehmend die Frage, woher das plötzlich starke Interesse am Nachbarkontinent kommt?
Die Gruppe G20 erkenne ihre besondere Verantwortung an, sich den Herausforderungen, in den ärmsten Ländern, vor allem in Afrika, gemeinsam zu stellen. Man wolle die wirtschaftliche und politische Stabilität Afrikas stärken, Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig die Ursachen von Flucht und illegaler Migration minimieren sowie die Eigenverantwortung afrikanischer Ländern fördern. Das Kernstück des neuen Programms bilden dabei sogenannte Investitionspartnerschaften. Die afrikanischen Staaten verpflichten sich zu Reformen mit dem Ziel ihr Land für ausländische Investoren attraktiver zu machen. Internationale Organisationen und bilaterale Partner sollen sie dabei sowohl finanziell als auch technisch unterstützen. Die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die Afrikanische Entwicklungsbank stellten dazu bereits in einem gemeinsamen Bericht einen Katalog an Maßnahmen und Instrumenten vor, welche die makroökonomischen, wirtschaftspolitischen und finanziellen Rahmenbedingungen für private Investitionen verbessern sollen.
Im Fokus der Partnerschaften stehe ein inklusives Wirtschaftswachstum – ein Wachstum, an dem alle Beteiligten in Afrika teilhaben können. Es soll nicht über, sondern vielmehr mit den afrikanischen Partnern über potenzielle Investitionen verhandelt werden. „Das Neue daran ist, dass hier die wichtigsten Partner – afrikanische Länder, internationale Organisationen und verschiedene andere Staaten- zusammenarbeiten“, sagt Ludger Schuknecht, Chefökonom im Bundesfinanzministerium. Unter den bisherigen Compact-Ländern befinden sich bereits Marokko, Ruanda, Senegal, Tunesien und Côte d’Ivoire – weitere sollen schon bald folgen.
Das stark wiedererwachte Interesse an Afrika hat unter anderem auch mit neuen Rivalitäten zu tun, die sich vor allem durch den Aufstieg Chinas und der anderen BRIC-Staaten in den letzten Jahren entwickelt haben. Im Zentrum steht dabei der Kampf um die Sicherung des langfristigen Zugangs zu Ressourcen und Absatzmärkten. China, Indien und Südafrika betreiben längst ihre eigene Afrikapolitik. Konzerne dieser Länder investieren in großem Stil in den afrikanischen Markt und machen den westlichen Konzernen damit zunehmend Konkurrenz. Das international starke wirtschaftliche Interesse an Afrika zeigt zum einen welch großes Potenzial der afrikanische Markt bietet und erkennt gleichermaßen die Stärken Afrikas an.
Andere Stimmen lassen jedoch verlauten, es sei vor allem die Angst einer weiter wachsenden Migration, die die Bundesregierung in ihrem Vorhaben antreibt. Denn die wirtschaftliche sowie demografische Entwicklung in Afrika hat zunehmend auch globale Auswirkungen. „Dieser Kontinent wird sich bis 2050 bevölkerungsmäßig verdoppeln. Jedes Jahr sind 20 Millionen neue Arbeitsplätze notwendig“, so Entwicklungsminister Gerd Müller. „Schafft der Kontinent das nicht mit unserer Hilfe, werden sich Millionen aufmachen, eine neue Völkerwanderung in Richtung Europa sich in Gang setzen.“
Einige afrikanische Staatschefs äußerten sich bereits positiv zu den geplanten Partnerschaften. Allassane Ouattara, Präsident der Côte d‘Ivoire, ist davon überzeugt, dass die geplanten Investitionen die Entwicklung entscheidend voranbringen werden: „Wir brauchen Straßen und Gleise im ganzen Land. Das war es auch, was Europa nach vorne gebracht hat! Wir erhoffen uns genau solche Investitionen für den afrikanischen Kontinent.“ Auch der nigerianische Entwicklungsexperte Kole Shettima hält das Afrika-Engagement für einen Schritt in die richtige Richtung: „Ob Elektrizität, Straßen, Eisenbahnverbindungen oder die Wasserversorgung: wir haben ein riesiges Infrastrukturproblem auf dem ganzen Kontinent“. Eine gute Infrastruktur sei jedoch Grundvoraussetzung für ein starkes, ausgewogenes und nachhaltiges Wachstum. Stephan Exo-Kreischer von der entwicklungspolitischen Lobbyorganisation One bestätigt, dass wirtschaftliche Entwicklung ohne Privatinvestitionen nur schwer möglich sei. In diesem Bereich besteht in Afrika großer Nachholbedarf. 2016 lagen die Direktinvestitionen lediglich bei 51 Milliarden US-Dollar – weniger als in jedem anderen Erdteil.
Kritiker der Kampagne bemängeln jedoch, die alleinige Fokussierung auf wirtschaftliche Aspekte. „Das ist ein fundamentaler Fehler“, so Siphokazi Mthathi, Geschäftsführerin von Oxfam Südafrika. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass sich die lokale Wirtschaft unter dem Einfluss ausländischer Investitionen nur schwer oder teilweise gar nicht entwickeln konnte. Auch der Aspekt der Bildung werde nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl er entscheidend für den nachhaltigen Erfolg von Wirtschaftsunternehmen sei, kritisiert Jann Lay vom GIGA-Institut für Afrika-Studien.
Planlos in Infrastruktur zu investieren, fördert keine Entwicklung. Investitionen müssten vielmehr dazu beitragen, dass die Privatwirtschaft wächst. Experte Tsonkeu fordert: „Afrika braucht dringend mehr Handel untereinander. Doch der Compact tut da nichts. Vielleicht glauben sie, dass Investitionen automatisch zu mehr Handel führen. Aber wir brauchen eine Handelspolitik zu Afrikas Vorteil.“ Exporte fertiger afrikanischer Produkte sind bis heute oft mit hohen Zöllen verbunden. Auf Rohstoffexporte fallen in vielen Fällen jedoch keine zusätzlichen Kosten an. Dies trifft auch auf den Unternehmer Tutu Agyare zu, der seinen Rohkakao ohne Probleme in die EU exportieren kann – für seine fertige Schokolade jedoch 30% Importzoll zahlen muss. Für ihn ist klar – ein Compact, bei dem Handelsfragen ausgeklammert werden, macht keinen Sinn.
Jane Nalunga, Expertin für Handel, Steuern und Investitionen beim Southern and Eastern Africa Trade Information and Negotiations Institute (SEATINI) aus Uganda äußert sich deutlich kritischer: „Bei dem ‚Compact‘ geht es nicht darum, den Menschen in Afrika aus der Armut zu helfen. Sein Zweck ist es, für Unternehmen aus den G20-Ländern Investitionsmöglichkeiten zu schaffen. Alles dreht sich um die Rechte von Investoren. Afrika soll sich für sie attraktiv machen. Aber wo bleiben die Rechte der Bürger und Bürgerinnen?“ Tatsächlich werden Privatinvestoren im Rahmen des Compact-Programms keine Umwelt- oder Sozialstandards vorgeschrieben – außer sie beteiligen sich an Projekten internationaler Organisationen. Ansonsten liegt es in der Verantwortung der afrikanischen Regierungen, dass beispielsweise Mindestlöhne gezahlt werden. Viele Kritiker zweifeln jedoch daran, dass dies der Fall sein wird.
Während des G20-Treffens in Hamburg selbst wurde die Thematik rund um die neue Initiative nur am Rande behandelt. Im Zentrum der Abschlusserklärung standen vor allem der Klimaschutz sowie der freie Welthandel.
Dennoch markiert die Initiative ohne Zweifel das Ende der klassischen Entwicklungshilfe. Sie sollte jedoch nicht als Möglichkeit gesehen werden, die tieferen Ursachen von Flucht und Migration schnell zu beseitigen. Sie kann Entwicklungsprozesse unterstützen, ist für sich genommen jedoch nicht ausreichend, da vor allem wichtige Handelsfragen keine Berücksichtigung finden. Die Initiative richtet ihren Fokus auf Investitionen, man darf dabei aber nicht verkennen, dass die Ursachen wirtschaftlicher (Unter-)Entwicklung über die Bereiche Investitionen und Infrastruktur hinausgehen.
Kai Eisenhardt
Foto: President Jacob Zuma with other Heads of States and Government during a family photo at the G20 Leaders summit which focused on terrorism and extremism in Hamburg, Germany. 07/07/2017 Kopano Tlape GCIS via flickr, CC BY-ND 2.0
Ein Beitrag aus der LoNam-Ausgabe 4/2017 mit dem Schwerpunkt „Bundestagswahl 2017“.
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