Eine Stadt in neuem Licht: Biennale Marrakesch 2016
Not New Now - unter diesem Motto präsentiert sich die Biennale Marrakech zum sechsten Mal mit enormer Vielseitigkeit und einem neuen Blick auf die Kunstszene Afrikas.
Begonnen am 24. Februar richten sich noch bis zum 8. Mai 2016 die Augen der internationalen Kunstszene auf die Stadt Marrakesch in Marokko. Elf Wochen lang findet hier die Biennale statt, die unter Leitung der Kuratorin Reem Fadda, die unter anderem für die Abteilung für Kunst des Nahen und Mittleren Ostens für das Abu Dhabi Projekt des Guggenheim Museums in New York zuständig ist, ein mehr als umfangreiches Programm. Insgesamt werden Kunstwerke von über 50 Künstler_innen ausgestellt, die größtenteils aus Afrika, Asien und der arabischen Welt stammen.
Seit dem Jahr 2005 alle zwei Jahre stattfindend, hat sich die Ausstellung zu einem international anerkannten Event entwickelt und ist heute, nach Dakar, die zweitwichtigste Biennale Afrikas.
Neben der Hauptausstellung, in der hauptsächlich zeitgenössische Werke gezeigt werden, finden zahlreiche Nebenausstellungen statt, die mit Filmvorführungen, Lesungen, Installationen und anderen Aktionen eine große Auswahl für die Besucher_innen bieten.
Während der Ausstellung gibt es ein wöchentlich wechselndes individuelles Programm, das auf verschiedene, öffentlich zugängliche historische Orte der Stadt, wie dem Palais Badii oder dem Menara Pavillon, verteilt ist. Durch diese erstmals durchgeführte Öffnung der Ausstellung soll ein möglichst vielschichtiges Publikum angesprochen werden, was auch Teil der Philosophie des Festivals ist.

Der Kunstmarkt Marrakeschs wurde bisher hauptsächlich mit historischer Kunst und dessen Wiederentdeckung in Verbindung gebracht, tatsächlich nimmt aber auch der Anteil an moderner und postmoderner Kunst immer mehr zu. So steht auch das diesjährige Motto Not New Now für eine Kritik der in der Gesellschaft festgesetzten Begriffe ‚alt‘ und ’neu‘, die keinen Raum für das ‚jetzt‘ lassen. Die Kuratorin Reem Fadda betont, der Fokus des Festivals liege auf der Gegenwart und dem Blick auf das alltägliche Leben. Viele der afrikanische Kunstwerke zeichneten sich durch aktuelle politische Bezüge aus, die Fadda als „Kunst gleichermaßen für den Menschen und die Gesellschaft“ bezeichnete, „sie ist politisch aber zugleich auch großartig künstlerisch.“ Ziel der Veranstalter_innen sei es, die Augen der Zuschauer_innen auf kreative Art und Weise auf aktuelle Themenbereiche zu lenken.
Ein zweiter Schwerpunkt der Ausstellung steht unter dem Titel Grenzüberschreitungen. Grenzüberschreitungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart aber auch Grenzüberschreitungen zwischen der afrikanischen und der arabischen Welt. Marokko als Schnittstelle hat gerade wegen seiner verschiedenen kulturellen Einflüsse eine dynamische Kunstszene zu bieten und sei so, laut Fadda, der ideale Veranstaltungsort für eine Biennale.
Das Augenmerk auf interkulturelle Beziehungen und Modernität, häufig ein Thema in zeitgenössischen Kunstwerken, wurde in diesem Fall als Leitmotiv für das Festival gewählt. Dadurch entsteht ein neuer unverbrauchter Blick auf Kunst aus Afrika. Besonders seit den 1960er Jahren, als viele afrikanische Länder von den europäischen Kolonialmächten unabhängig wurden, konnte sich eine freie Kunstszene entwickeln, die sich inzwischen vor allem durch seine Heterogenität auszeichnet. Die Dekolonialisierung ist noch immer ein häufiges Motiv, so beschäftigen sich auch auf der Biennale Marrakesch nicht wenige Ausstellungsstücke mit diesem Thema.
Die Biennale Marrakesch bietet der Kunst aus afrikanischer Perspektive, die immer noch häufig mit traditionellem Kunsthandwerk gleichgesetzt wird, eine Plattform, um sich in neuem Licht zu präsentieren. Gleichzeitig wird aber auch eine Fusion verschiedener Kulturkreise geschaffen, die unter dem Schlagwort „Global Art“ die Stadt Marrakesch als weltoffene und kreative Stadt präsentiert.
Foto: Palais el badii von Ted Drake/ flickr, CC BY-ND 2.0