Kommt ein Impfstoff geflogen…
Drohnen als Postboten der Lüfte werden schon länger für den Transport von beispielsweise Medikamenten in abgelegene Regionen genutzt. Auch an die Corona-Pandemie wurde die Nutzung der Drohnen nun angepasst.
Drohnen als neue Liefer- oder Informationszusteller? Vor einigen Jahren kam die innovative Idee auf, Pakete der DHL mit Drohnen zu verschicken. Im Herbst 2014 wurden dann tatsächlich zum ersten Mal Medikamente zwischen der Nordseeinsel Juist und dem Festland mit Hilfe von Drohnen transportiert. Allerdings stellte DHL dies fünf Jahre nach dem ersten Testflug ein – Drohnen im Einsatz für Paketdienste seien wohl doch keine Option.
Doch nicht nur für Pakete könnte das Zustellen mit Hilfe von Drohnen leichter und unkomplizierter werden, sondern vor allem der Transport und die Belieferung von Medikamenten, Blutkonserven oder Impfstoffen kann mit ihnen vereinfacht werden. Diese Methode ist vor allem dann effizient, wenn die Orte, die beliefert werden sollen, auf anderen Wegen nicht leicht zu erreichen sind und es keine kostengünstigen Alternativen gibt. Der Vorteil bei Drohnen ist in diesem Fall, dass sie sowohl leicht als auch schnell sind und vor allem je nach Bedarf eingesetzt werden können. Gerade bei Lieferungen wie Medikamenten oder Impfdosen ist dies essenziell, da diese eine bestimmte Kühlung benötigen, die nicht verloren gehen darf.
In einigen afrikanischen Ländern, wie Ghana, Ruanda oder Malawi hat sich diese Art des Zustellens zum Teil schon etabliert: In Ghana ist die Methode weit verbreitet, da viele Straßen zur Regenzeit überschwemmt sind und ein Durchkommen sich hier oft langwierig und mühsam gestaltet. Medizinische Versorgung sollte jedoch trotzdem gewährleistet sein, weswegen die Belieferung durch Drohnen eine Alternative zum direkten Kontakt mit Krankenhäusern darstellt. Das wichtigste Unternehmen hierfür ist Zipline, das der US-amerikanische Unternehmer Keller Rinaudo 2014 gründete. Er entwickelte automatisiert fliegende Drohnen, die eine Geschwindigkeit von 110 km/h und eine Reichweite von bis zu 160 Kilometern haben. Ladungen von bis zu 1,8 Kilogramm können diese transportieren, welche dann am Zielort mit einem eingebauten Fallschirm heruntergelassen werden. Rinaudos Unternehmen wird finanziell von der Impfallianz Gavi sowie von der UPS-Stiftung unterstützt. Auch die ghanaische Regierung stellte im September 2019 zwölf Millionen Dollar zur Verfügung, um das Projekt für die nächsten vier Jahre zu unterstützen. In Ruanda, wo die Pilotphase der Drohnen mit der Lieferung von Blutprodukten stattfand, sind die Drohnen von Zipline seit 2016 zu finden. Bis 2019 flogen die 60 Drohnen hier schon mehr als 16.000-mal, um Gesundheitseinrichtungen zu versorgen.
Obwohl Zipline das wohl bekannteste Unternehmen in Hinblick auf Drohnen in afrikanischen Ländern ist, war es nicht das erste, was sich mit dieser Idee auseinandergesetzt hat. Der Schotte Jonathan Ledgard war zehn Jahre lang auf dem Kontinent umhergereist und gründete 2013 mit anderen Forscher*innen das Labor „Afrotech“, in dem sie Drohnen entwickeln wollten. Ziel war „in Afrika das erste Lastendrohnen-Netzwerk der Welt aufzubauen.“ Mithilfe des britischen Architekten Norman Foster wurde ein Modulsystem für Drohnenflughäfen entwickelt, die recht kostengünstig gebaut werden können. Die sogenannten Droneports sind aus einzelnen Elementen zusammengesetzt, die man nach Belieben aneinanderreihen kann. Diese Module können dann unkompliziert mit vor Ort hergestellten Bausteinen zusammengebaut werden. Als Ledgard dies der Welt vorstellte, war auch einer der Mitbegründer von Zipline, Willi Hetzler, bei der Veröffentlichung. Zipline stellte kurze Zeit später sehr ähnliche Drohnen her, regelte das Finanzielle kurz danach und konnte somit 2016 mit den ersten Flügen von den Drohnen in Ruanda beginnen. Ledgard hatten sie damit überholt, denn seine Kolleg*innen und er arbeiteten noch an ihrem Konzept. In einem Artikel von 2019 in der Wirtschaftszeitschrift „brand eins“ äußerte sich Ledgard verärgert über Zipline: Es gehe der kalifornischen Firma nicht um den Kontinent Afrika, sondern vielmehr um den Aufstieg zum Global Player.
Doch nicht nur Zipline trägt zum Erfolg von Drohnennutzung bei, auch in anderen Länder bereiten sich die Menschen darauf vor, mehr Kenntnisse und somit Anwendungsmöglichkeiten für Drohnen zu erarbeiten: In Malawi gab es vor einigen Jahren das erste Drohnenfluggebiet und im Januar 2020 wurde dort die weltweit erste Drohnenakademie Afrikas, die „African Drone and Data Academy“, gegründet. Hier lernen Student*innen aus Malawi und anderen afrikanischen Ländern, wie sich der Bau und die Wartung solcher Drohnen gestaltet, gewinnen Kenntnisse zur Datenanalyse und übernehmen die Steuerung mit dem Transport der fliegenden Postboten. Drohnen gelten mit ihrem Können als vielversprechende Hoffnungsträger in einigen afrikanischen Ländern, weswegen auch nur Studierende aus Afrika hier studieren dürfen. Auch aus diesem Grund unterstützte UNICEF diese Akademie finanziell. Des Weiteren liegt der Fokus der Projektpartner in dieser Akademie vor allem auf Weiterbildungsangeboten für lokale Expert*innen, damit später keine externen hinzugezogen werden müssen. Eine der Ausbilder*innen, Brianna Friedman, drückte es so aus: „Drohnen sind unsere Zukunft. Unsere Studenten sollen ihre eigenen Unternehmen gründen. Sie sollen mehr sein als nur Piloten.“ Deborah, eine der ersten Student*innen an der Drohnen-Akademie freute sich, Teil davon sein zu können: „Ich fühle mich großartig dabei. Vor allem, weil ich hier als Frau das Land Malawi vertrete.“
Da die Drohnen dabei helfen können, medizinisches Material in verkürzten Transportzeiten in entlegene Ecken zu bringen und somit auch die Ansteckungsgefahr durch physischen Kontakt minimiert wird, ist die Idee, dies auch für die Corona Pandemie zu nutzen, nicht weit weg. Und tatsächlich: In einem Report von Unicef – „How drones can be used to combat COVID-19“ wird dargelegt, dass mehrere Länder Drohnen für Transport-, und Lieferzwecke hierfür nutzen. In Subsahara-Afrika waren es drei Länder, die Unicef in dem Report aufführt, die davon berichteten, dass sie diese Methode für ihr Land nutzen oder planen, dies zu tun: Ruanda, Ghana und Malawi. Alle Länder haben schon Erfahrung mit Drohneneinsätzen, weswegen diese Einsätze nur angepasst werden müssen, um die Lieferung von Corona-Impfstoffen erfolgreich durchzuführen.
Allerdings werden dieser Idee zum Teil auch Steine in den Weg gelegt: In Ruanda gibt es zwar mehrere leistungsstarke Kühlräume für den Impfstoff im Biomedizinischen Zentrum, dafür aber keine Impfdosen – er sei einfach zu teuer. Dabei gäbe es die nötigen Kapazitäten, wie der Direktor des Biomedizinischen Zentrums, Dr. Sabin Nsanzimana, erklärte: „Wir bereiten uns vor und planen. Dabei haben wir ja schon unsere bestehenden Lieferketten für andere Impfstoffe.“ Auch in Bezug auf Ghana äußerte Unicef Zweifel, da es noch unklar sei, wie die Drohnen zur gesamten Versorgungskette in solch einer Größenordnung beitragen können. Sie können die Ladungen zwar fallen lassen, jedoch keinen bidirektionalen Transport gewährleisten, das heißt die Abholungen der Impfstoffe koordinieren. Insgesamt stellte Unicef jedoch fest, dass Lieferungen während der Corona-Pandemie vor allem in Form von Pilotprojekten oder kurzfristigen Initiativen Verwendung findet. Oft seien wohl aber gewohnte Lösungen zur Verteilung von Medikamenten lieber gesehen, da die Einsatzkräfte sich hiermit schon auskennen und unter Zeitdruck nicht die Zeit oder Kapazitäten haben, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen.
Doch nicht nur für die Verteilung von Impfdosen können zur Bekämpfung von Corona Drohnen während COVID-19 genutzt werden: Als weiteren Punkt erklärt Unicef in seinem Leitfaden, dass es mehrere Medienberichte darüber gegeben hätte, dass Drohnen auch zum Sprühen von Desinfektionsmittel aus der Luft genutzt wurden. Wissenschaftliche Überprüfungen schließen aus den Versuchen oder Ergebnisse jedoch, dass diese Methode keine große Effektivität habe. Wenn man sich mit Drohnen und den Verwendungsmöglichkeiten in der Pandemie beschäftigt, so ist aber der dritte Punkt, der von Unicef angesprochen wird, auch nochmal eine interessante Komponente: Drohnen können oder werden auch zur Überwachung während der Quarantäne in öffentlichen Räumen genutzt. Verschiedene Organisationen für öffentliche Sicherheit und Strafverfolgung – unter anderem in Ruanda oder Sierra Leone – haben Drohnen für diesen Zweck verwendet. Aus mehreren Gründen: In Ruanda hielten einige Viertel in der Hauptstadt Kigali in der ersten Phase der Abriegelung, die am 21. März 2020 begann, die Präventionsmaßnahmen nicht gut genug ein. Dies geschah aus dem Grund, dass es sich als schwierig gestaltete, Informationen zum Abriegelungsprozess in diese Orte zu übermitteln. Aufgrund dessen setzte die ruandische Nationalpolizei Drohnen ein – sie sollten Aufklärungsbotschaften direkt zu den Menschen an diesen Orten (zum Beispiel die Viertel Kimisagara oder Kanombe) bringen und so Mitarbeiter*innen des Gesundheitswesens sowie TV und Radiostationen in der Wissensübermittlung unterstützen. Die Drohnen waren mit Lautsprechern verbunden, worüber den Menschen geraten wurde, nötige Abstandsregelungen einzuhalten und gute Hygiene durchzuführen. Des Weiteren wurden diese Drohnen sogar mit Kameras ausgestattet, da so eine genauere Überwachung stattfinden und die Sicherheitsbehörden so schneller sehen konnten, wo sie eingreifen oder evakuieren müssen – dies würde sonst viel mehr Zeit in Anspruch nehmen. Scheint die Idee mit den Drohnen auf den ersten Blick eine positive Maßnahme zu sein, so gibt es jedoch auch Kritik seitens Menschenrechtsaktivist*innen: Durch die Drohnen könnten Bürger*in-, und Persönlichkeitsrechte möglicherweise verletzt werden. Als Antwort auf diese besorgten Äußerungen wurden einige der Drohnenprogramme sogar nicht weitergeführt. Wie es weitergeht mit der Nutzung von Drohnen in afrikanischen Ländern, wird die Zukunft wohl zeigen: Erst Anfang Februar 2021 wurde bekannt, dass es in dem westafrikanischen Land Nigeria demnächst zum Versand von Impfstoffen mit Drohnen von Zipline kommen soll. Der Bundesstaat Kaduna habe einen Vertrag mit dem Unternehmen abgeschlossen, mit dem Ziel, mehr als 1.000 Gesundheitseinrichtungen in diesem Gebiet zu beliefern und 255 Gesundheitszentren aufzurüsten. Dafür sollen 3.000 Beamt*innen trainiert werden, um diese Einrichtungen verwalten zu können. Startschuss für dieses Vorhaben sollte im zweiten Quartal dieses Jahres sein. Um Impfstoffe verteilen zu können, ob mit oder ohne Drohnen, braucht es aber zunächst erst einmal überhaupt diese Impfdosen – die Beschaffung dieses gestaltet sich jedoch als mühsam, es fehle das Geld. Der Gesundheitsaktivist Dan Owalla arbeitet seit elf Jahren bei der Nichtregierungsorganisation „People’s Health Movement“ und klagt die Ungleichverteilung des Impfstoffes an: „Wir müssen unbedingt klar machen, dass Gesundheit ein öffentliches Gut und ein Menschenrecht für jeden Menschen ist“. Er rechne frühestens Ende 2022 mit größeren Kampagnen zum Impfen auf dem Afrikanischen Kontinent. Unterstützende Hilfe gibt es auf jeden Fall von Zipline, die auf ihrer Webseite schreiben, dass es ihre Mission sei, jeden Menschen auf der Erde mit lebenswichtigen, medizinischen Gütern versorgen zu können. Auf ihrer Webseite werben sie damit, dass sie schon über 105.000 kommerzielle Lieferungen durchgeführt haben – und es werden immer mehr (Stand 18. Februar 2020).
Ronja Göttlicher