Sammelband problematisiert geplantes Humboldt-Forum

Sammelband problematisiert geplantes Humboldt-Forum

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Die Neuerscheinung "No Humboldt 21! Dekoloniale Einwände gegen das Humboldt-Forum" thematisiert die Kritiken rund um das Stadtschloss und des darin geplanten Humboldt-Forums. Auf 198 Seiten stützt der Sammelband die langjährige Kampagne "No Humboldt 21".

Foto: Afrika Medien Zentrum

Die soeben erschienene Publikation „No Humboldt 21! Dekoloniale Einwände gegen das Humboldt Forum“, die die internationale Organisation AfricAvenir herausgegeben hat, vereint verschiedene dekoloniale Perspektiven auf das geplante Humboldt-Forum in Berlins Zentrum. Die Publikation legt ältere und neuere Beiträge aus einer Schwarzen, migrantisch-diasporischen, aktivistischen Perspektiven offen. Anlass bildet die seit 2013 laufende Rekonstruktion des preußischen Stadtschlosses, welches ab 2019 als sogenanntes Humboldt-Forum die umstrittenen Sammlungen des Berliner ethnologischen Museums sowie des Museums für asiatische Kunst beheimaten soll. Auf 198 Seiten legen Kultur- und Kunstschaffende, Aktivist_innen, Schriftsteller_innen und Wissenschaftler_innen Argumente dar, wieso das Humboldt-Forum als Kulturstätte dem „Anspruch eines gleichberechtigten Zusammenlebens in der Migrationsgesellschaft“ entgegen tritt.

Die Publikation basiert auf den Forderungen und Kritiken der gleichnamigen Kampagne „No Humboldt 21″, die seit der Grundsteinlegung des Stadtschlosses die eurozentrische und restaurative Auslegung des Museums kritisiert. Die zukünftig ausgestellten Objekte seien „zu einem nicht unwesentlichen Teil während der (deutschen) Kolonialzeit geraubt“ worden. Die Unterstützenden der Kampagne forderten den sofortigen Baustopp und eine gesellschaftliche Debatte über die Ausrichtung des Projekts in der Öffentlichkeit.

Anhand zahlreicher Artikel, Interviews sowie Kollagen und Bildern klären sowohl akademisch Forschende, als auch Aktivist_innen über die koloniale Geschichte des preußischen Stadtschlosses, die der ethnologischen Sammlungen und seine dahinter stehende Wissenschaft auf.

Konkret wird in dem kritischen Überblickswerk, das in vier Kapitel gegliedert ist, der museale Aspekt des Projekts dargestellt und aufgezeigt inwiefern, die durch die Stiftung Preußisches Kulturgut durchgeführte Erinnerungspolitik von kolonialrassistischen Vorstellungen geformt werde. Kritisert wird beispielsweise auch der Wiederaufbau des Schlosses per se, da es sowohl symbolisch, als auch politisch für das Wilhelminische Kaiserreich stehe. Weiter wird auch die Wahl Alexander Humboldts als Namenspatron, der in seinen sogenannten Entdeckungsreisen dem „kolonialen Ausbeutungs- und Unterdrückungsregime“ zuarbeitete als problematisch verhandelt.

Die Artikel legen anhand konkreter Beispiele dar, welche Bedeutungen die verschleppten Objekte in den Heimatländern haben und welche gesellschaftlichen Auswirkungen der Raub dieser Objekte hatte. Beispielsweise erzählt Idrissou Njoya eine Geschichte aus dem heutigen Kamerun. Dort entwendete der deutsche Offizier Glaunig den Königthron der Bamum, den sogenannten Mandù-yénù, „der heute als eines der wichtigsten Objekte der ethnologischen Sammlung in Berlin gilt“. Dieser kunstvoll verziert königliche Thron wurde nach Berlin an Kaiser Wilhelm II. übersendet und gilt heute „als eines der wichtigsten Objekte der ethnologischen Sammlung“. Der König der Bamum ließ den Thron gehen, um sein Volk zu retten. Doch das Fehlen des Thrones brachte verschiedene soziokulturelle und ökonomische Konsequenzen mit sich, erfährt man beim Lesen.

Der dritte Teil der Publikation handelt von Rückführungen der menschlichen Gebeine und Artefakten, die von den Autor_innen als politische Kämpfe und dekolonisierende Vorgänge verhandelt werden. Unter anderem wird hierfür der südafrikanische Prof. Ciraj Rassool interviewt, der aktuell zu Rückführungen von menschlichen Überresten forscht und schon zahlreiche Artikel über Museen, Kulturerbe und Erinnerungspolitik veröffentlichte. Während im letzten Kapitel, unter anderem Interviews mit der malischen Aktivistin Amimata Traoré und dem Pariser Filmemacher und Chefredakteur Pascale Obolo veröffentlicht wurden, welche noch einmal die aktivistischen Bemühungen vor Ort hervorheben.

„No Humboldt 21! Dekoloniale Einwände gegen das Humboldt-Forum“, herausgegeben von AfricAvenir, 198 Seiten, 14 Euro. ISBN 978-3-946741-03-9

Victoria Jeffries