Tansania: „Auf dem Weg in die Autokratie?“ Veranstaltungen im Afrikahaus Berlin
Im Jahr 2015 erfreute sich die Vereinigte Republik Tansania an einer neuen Lichtgestalt: Der frisch gewählte Präsident John Pombe Magufuli galt als rigoroser Kämpfer gegen Korruption und wollte sein Land in Richtung Entwicklung führen. Zu Anfang befand er sich auf einem guten Weg, seine Versprechen einzulösen, mittlerweile häufen sich Zweifel – auch im Berliner Afrikahaus, wo am Mittwoch eine Diskussion unter der Fragestellung „Auf dem Weg in die Autokratie?“ stattfand.
Vor allem am Anfang seiner Amtszeit wusste Magufuli sein Bild als Macher und seinen Spitznamen „Bulldozer“ zu rechtfertigen. Er setzte zahlreiche Antikorruptionsmaßnahmen um, reduzierte sein eigenes Gehalt und die Reisekosten der Regierungsbeamten und ließ sein Kabinett um ein Drittel schrumpfen, um Kosten zu minimieren. Das gesparte Geld investierte er sofort erfolgreich in den Bau von Straßen, Brücken und Zügen, sowie in Airlines und in Infrastruktur. „He is loved for that“, sagte auch Nicksoni Filbert, tansanischer Promotionsstudent an der HU Berlin in International Law und einer der Sprecher bei der Podiumsdiskussion.
Jedoch charakterisiert Filbert den Präsidenten auch als „Paradox“ oder als Münze mit zwei verschiedenen Seiten. Denn mit der Art und Weise, die ihm den Namen „Bulldozer“ eingebracht hat, bearbeite er nicht nur Straßen und Brücken, sondern auch seine Kritiker*innen. Die negativen Schlagzeilen häufen sich international, von einer harten Restriktion der LGBT+-Rechte über ein Schulverbot für schwangere Frauen bis hin zu Fällen von verschwundenen oder getöteten Regierungskritiker*innen, die nicht untersucht werden. Demonstrationen gegen Magufuli werden teils gewalttätig niedergeschlagen, und in der tansanischen Mediengesellschaft werden kritische Stimmen unterdrückt.
Das Problem, meint Andreas Quasten, Landesvertreter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stitung in Tansania und der zweite Sprecher auf dem Podium, liege nicht nur am Präsidenten, sondern viel tiefer. Zum einen sei Magufulis Partei Chama Cha Mapinduzi (CCM) schon seit der Unabhängigkeit 1960 am Regieren und habe somit einen starken Machtanspruch, der nach der knappen Wahl 2015 jedoch zu bröckeln schien. Zum anderen besteht noch immer die Verfassung von 1977, da eine Reform vor fünf Jahren gescheitert ist. Diese Verfassung ist noch auf das in den neunziger Jahren abgeschaffte Einparteiensystem bezogen und offenbart außerdem andere Eigenheiten, die einer Demokratie nicht förderlich sind; zum Beispiel ist der Präsident in der Lage, all seine regionalen Stellvertreter selbst auszuwählen und zu ernennen. Mithilfe dieser und anderer Regelungen sowie schwacher Institutionen und mangelnder Gewaltenteilung hat John Magufuli als Präsident die Möglichkeit, seine autokratischen Tendenzen in die Realität umzusetzen.
Als Konsens der Veranstaltung kristallisierte sich heraus, dass Magufuli zwar die richtigen Ziele verfolge – Erstickung der Korruption, wirtschaftliche Entwicklung, Infrastruktur und mehr Autonomie für Tansania – aber starke Institutionen, Gewaltenteilung sowie neutrale Medien fehlen, um zum Beispiel die Antikorruptionsagenda konsequent durchzuführen. Darüber hinaus schränke er das Recht auf freie Meinungsäußerung in seinem Land stark ein. All dies ist möglich, weil die seit 1977 geltende Verfassung es ihm erlaubt, und er nicht das Ziel verfolgt, sie zu seinen Ungunsten zu ändern.
Trotz der Tatsache, dass sein Wahlsieg 2015 ein knapper war – er gewann mit 58% der Stimmen – sieht es laut Nicksoni Filbert und Andreas Quasten so aus, als würde John Magufuli auch die nächsten Wahlen für sich entscheiden können. Kritische Meinungen haben in den Medien keinen Platz mehr und einige, auch einflussreiche Oppositionspolitiker sind zurück in die CCM gewechselt. Darüber hinaus ist, nicht nur wegen der einseitigen Medienberichterstattung, sondern auch aufgrund Magufulis Bild als harter, ehrlicher und durchgreifender Präsident, der Zuspruch in der Bevölkerung noch immer groß. Man wird sehen, wie die Entwicklungen in Tansania weitergehen.
Am heutigen Freitag, den 12. April, um 18 Uhr wird es im Afrikahaus in Berlin eine weitere Veranstaltung zum Thema Tansania geben: Tundu Antiphas Lissu, ein bekannter Politiker der Oppositionspartei Chadema, spricht über Menschenrechte und den Fall der Demokratie in Tansania. Weitere Informationen unter www.afrikahaus-berlin.de
Elias Aguigah