Tränengas und Schlagstöcke gegen Abschiebeprotest – polizeiliche Überreaktion?

Tränengas und Schlagstöcke gegen Abschiebeprotest – polizeiliche Überreaktion?

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Auf Proteste gambischer Bewohner_innen in einer Erstaufnahmeeinrichtung im bayrischen Donauwörth reagiert die Polizei mit einem Großeinsatz

Im bayrischen Städtchen Donauwörth kam es zum massiven Polizeieinsatz in einer Geflüchtetenunterkunft Foto: Helmlechner CC

Schilderungen von Schikanen und Gewaltbereitschaft durch Polizei und Sicherheitspersonal im Zusammenhang mit Geflüchtetenunterkünften sind kein neues Phänomen. Auch eine Erstaufnahmeeinrichtung im oberschwäbischen Donauwörth sieht sich nun – nicht zum ersten Mal – damit konfrontiert.

Die ehemalige Bundeswehrkaserne beherbergt 600 Geflüchtete aus verschiedensten Ländern – maßgeblich aus Gambia, der Türkei und Syrien. Am frühen Morgen des 14. März führte eine versuchte Abschiebung nach Italien zu Protesten seitens der ansässigen Geflüchteten. Der darauffolgende Polizeieinsatz resultierte in mindestens 29 Festnahmen, deren Ausgang bisher offen ist.

Zu dem Vorfall treffen zwei völlig gegensätzliche Perspektiven aufeinander: Während die Lokalzeitungen und der Sprecher des Polizeipräsidiums Donauwörth von „Randale in Erstaufnahme“, aus dem Fenster geworfenen Möbeln und mit Eisenstangen bewaffneten Männern reden, wird seitens der Bewohner_innen von traumatischen Erfahrungen berichtet – Tränengas, Pfefferspray, Hunde und Schlagstöcke seien zum Einsatz gekommen. Eine Stellungnahme der gambischen Geflüchteten weist die Anschuldigungen der Polizei zurück und fordert die Freilassung der Gefangenen. Fünf von ihnen wurden nach München zum Bayrischen Flüchtlingsrat eingeladen und schilderten den Einsatz als Großaufgebot der örtlichen Polizei. Während Bayerns Innenminister Joachim Herrmann diesen als undankbaren Protest verurteilte, sieht der Rat darin vielmehr einen „massiven Einschüchterungsversuch der Bewohner_innen der Erstaufnahmeeinrichtung“ durch die Polizei.

Bereits seit einiger Zeit gibt es im Raum Donauwörth Spannungen zwischen Anwohner_innen des Landkreises Donauwörth und den zumeist gambischen Geflüchteten der Einrichtung. Offenbar hatten Einzelne durch unangemessenes Auftreten für Aufsehen gesorgt. Die zunehmende Unzufriedenheit der Geflüchteten über mangelnde Deutschkurse, ausbeuterische 80 Cent-Jobs in der Unterkunft und die extrem geringe Erfolgsquote der Asylanträge (7 Prozent) verschlimmerte die Lage. So protestierte eine Gruppe Geflüchteter Mitte Februar dieses Jahres, in dem sie selbst nach Italien auszureisen versuchten, doch ein Polizeiaufgebot von 150 Personen verhinderte dies stellte den Bahnverkehr alsbald ein.

Der Vorfall lässt nicht nur Fragen zu Polizeigewalt und Machtmissbrauch aufkommen, sondern auch zu den tieferliegenden Gründen der Unzufriedenheit. Die strikte ‚Lagerpolitik‘ Bayerns sorgt durch die zentrale Unterbringung von größtenteils jungen Männern ohne langfristige Perspektiven in Deutschland für zunehmende Frustration. Während dies von den politischen Entscheidungsträger_innen weitestgehend außer Acht gelassen wird, sucht man eine kurzfristige Lösung weiterhin in verstärkten Sicherheitsmaßnahmen und dem Ausbau der Polizeipräsenz. Innenminister Herrmann scheinen die Vorfälle in Donauwörth ganz gelegen zu sein; sind sie doch ein willkommenes Mittel, um im Vorfeld der nächsten Landtagswahlen die ausländerfeindliche Stimmung anzuheizen sowie Abschiebungen und Machtmissbrauch seitens der Polizei zu legitimieren.

Tatjana Sopart

Foto: Donauwörth Reichsstraße by Helmlechner, Creative Commons Attribution Share Alilke 3.0 Unported license