Wer wird Präsident in Algerien?
Nach dem Rücktritt des langjährigen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika im Jahr 2019 hatten viele Algerier*innen auf einen politischen Wandel und mehr Demokratie gehofft. Doch Präsident Abdelmadjid Tebboune, der nun eine zweite Amtszeit antreten wird, enttäuschte diese Erwartungen. Mit einem deutlichen Wahlergebnis von 94,6 Prozent setzte er sich gegen seine beiden Herausforderer durch, die kaum Unterstützung fanden. Dennoch bleibt die Wahlbeteiligung mit nur 48 Prozent sehr niedrig, was auf die zunehmende Entfremdung und Unzufriedenheit der Bevölkerung hinweist. Schon bei der Wahl vor fünf Jahren war die Wahlbeteiligung mit rund 40 Prozent extrem gering.
Bevor das Wahlergebnis endgültig feststeht, muss es vom Verfassungsgericht überprüft werden, was einige Wochen in Anspruch nehmen kann. Normalerweise stimmen die vorläufigen und endgültigen Ergebnisse überein. In der Bevölkerung herrscht jedoch zunehmende Resignation gegenüber der politischen Führung, was sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung widerspiegelt. Amnesty International kritisierte jüngst die wachsenden Einschränkungen der Bürgerrechte, die sich in der Auflösung politischer und zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie in der Verhaftung von Oppositionellen zeigen. Laut der Organisation herrscht in Algerien inzwischen eine „Null-Toleranz-Politik“ gegenüber jeglicher Form von Kritik.
Die Proteste im Jahr 2019, bei denen Millionen Menschen gegen eine erneute Kandidatur Bouteflikas auf die Straßen gingen, hatten eine politische Erneuerung gefordert. Sie wollten das Ende der Herrschaft des Militärs und eine zivile Führung des Landes. Doch das Militär, das seit Jahrzehnten einen entscheidenden Einfluss auf die Politik hat, behielt seine Macht und stärkte sie sogar weiter. Tebboune, der als enger Verbündeter des Militärs gilt, konnte von dieser Unterstützung profitieren und erhöhte sogar während seiner ersten Amtszeit das Budget für das Militär.
Statt die erhoffte demokratische Erneuerung zu bringen, hat sich die Lage laut Menschenrechtsgruppen unter Tebboune weiter verschärft. Kritische Stimmen werden zunehmend unterdrückt, unter anderem durch neue Gesetze und konstruierte Terrorismusvorwürfe. Beobachter sehen in diesen Entwicklungen die schwerwiegendsten Einschränkungen der Grundrechte seit dem Bürgerkrieg in den 1990er Jahren, bei dem etwa 150.000 Menschen starben. Damit bleiben die Hoffnungen vieler Algerier*innen auf einen echten demokratischen Wandel weiterhin unerfüllt.
Alexandra Enciu