Wie ein Phönix aus der Asche erhebt sich die Revolution in Burkina...

Wie ein Phönix aus der Asche erhebt sich die Revolution in Burkina Faso

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Die Veranstaltungsreihe „We are tomorrow“ führte das Berliner Publikum am Sonntag in das Trauma, aber auch in die Chancen der Politik Burkina Fasos ein.

Hamado Dipama (li) und Enoka Ayemba (re) teilen ihre Erinnerungen mit dem Publikum, Foto: Afrika Medien Zentrum

„Nieder mit dem Imperialismus! Nieder mit den untreuen Ehemännern! Nieder mit den Faulpelzen!“
Dieser schlanke, hochgewachsene Soldat steht im Tarnanzug auf dem sandigen Versammlungsplatz eines ungenannten Dorfes und ruft Parolen, die ihren lauten Wiederhall in der Menschenmenge finden. Mir stechen besonders die resoluten Frauen mittleren Alters in ihren bunten Kleidern ins Auge. Sie kommentieren jeden Schlachtruf mit der erhobenen Faust und einem Lachen – und wir lachen mit ihnen.
Im beschaulichen Saal des fsk Kinos in Berlin Kreuzberg gibt es am vergangenen Sonntag wohl keinen Besucher, der nicht angesteckt ist durch die Leidenschaft, die dieser Mann auf der Leinwand, der „Che Afrikas“, versprüht.

„Capitaine Thomas Sankara“ ist ein liebevolles Portrait über einen der visionärsten politischen Führer Afrikas, dem Präsidenten Burkina Fasos von 1984 bis 1987. Der Regisseur Christophe Cupelin beschränkt sich auf die Aussagekraft des audiovisuellen Archivmaterials zu Sankaras Lebzeiten. Diese Vorgehensweise ist ungewöhnlich, denn sie schließt die Befragung von Zeitzeugen und ihre Perspektive aus heutiger Sicht aus. Er unterlegt die bewegten Bilder, die er teilweise farblich verfremdet hat, mit Reden und Interviewmaterial, aber auch mit Afrobeat Songs und anderen musikalischen Stücken. Sein stärkstes Mittel sind eingeblendete Aussagen Sankaras, die er still auf den Betrachter wirken lässt.

Der Film von 2012 ist als Dokumentation gekenntzeichnet und als Zuschauer ist man willens, jede Originalaufnahme für bare Münze zu nehmen. Aber lassen wir uns nicht täuschen. Was wir hier sehen, ist vor allem eine sehr subjektive, zärtliche Liebeserklärung an den „Kapitän“, der durch seine radikale Politik und unorthodoxe Reformen Maßstäbe gesetzt hat. Er bekämpfte die Ausbeutung von Menschen auf allen Ebenen, was Imperialismus, Korruption und die gesellschaftliche Stellung der Frau einschloss.
Diese Ideen proklamierte Sankara im afrikanischen wie europäischen Ausland mit scharfer Zunge, weigerte sich, Staatsschulden an koloniale Mutterländer zurückzuzahlen und rief in panafrikanischer Manier auch andere verschuldete Staaten zum Boykott auf. Als bekennender Sozialist verweigerte er Hungerhilfe aus der Sowjetunion, die in seinen Augen beleidigend niedrig war.

Wie in einem Nollywood Blockbuster steht der Gegenspieler des Titelhelden von Beginn an fest. Sein bester Freund und späterer Nachfolger im Amt: der Offizier Blaise Compaoré. Ein und dieselbe Aufnahme von diesem Mann wird immer wieder unheildrohend zwischen die revolutionären Taten Sankaras eingeblendet und prophezeit dessen vorzeitige Ende: Die Ermordung im Putsch vom 15. Oktober 1987.

Wie aktuell und prekär dieses Stück Geschichte Burkina Fasos noch ist, merkt man auch in der anschließenden Diskussion. Der Leiter des panafrikanischen Kongresses, Hamado Dipama, zu Gast aus München, kannte Sankara persönlich. Er musste nach dessen Ermordung vor dem neuen Regime fliehen. Er bezeichnet die jungen Aufständischen, die im Oktober des letzten Jahres für den Rücktritt Compaorés gesorgt hatten, als „die Erben Sankaras“ und diskutiert mit dem Veranstalter des Abends, Enoka Ayemba über das Leben und Wirken von Thomas Sankara.

Zwischen den Zeilen wird Sankaras größter Nachlass sichtbar. Er ist, wie Che Guevara, zu einer politischen Kultfigur geworden. Als Ikone der Rechtschaffenheit und der Revolution ist er Quelle der Inspiration für die jungen Burkinabé, die den Mut haben, die konventionelle Politik herauszufordern. Die Macht der Veränderung liegt in der Veränderung der eigenen Perspektive. Diese Erkenntnis war von Anfang an die Basis Sankaras Politik.
Es fällt einem leicht, das zu verstehen, wenn man Cupelins Film sieht. Darin liegt der Charme und die Stärke von „Capitaine Thomas Sankara“.

Die Filmvorführung fand im Rahmen des Projekts We are tomorrow – Visionen und Erinnerung anlässlich der Berliner Konferenz von 1884 statt. Die Reihe, die vom Ballhaus Naunynstraße organisiert wird, zeigt Filme, die sich unter anderem mit dem Widerstand gegen den europäischen Kolonialismus auf afrikanischem Boden beschäftigen.
Veranstaltungen dieser Reihe finden noch bis zum 26. Februar in Berlin an verschiedenen Orten statt.

Programm unter: http://www.ballhausnaunynstrasse.de/spielplan

Sandra Lippert

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