Algerien feiert den 65. Jahrestag des Beginns seines Kampfs um Unabhängigkeit
Am 1. November feiert Algerien jedes Jahr den Beginn seines Unabhängigkeitskampfes im Jahr 1954. Zum 65. Jahrestag schauen wir auf den Prozess zurück, der einst an diesem Tag ins Rollen gebracht wurde.
Der deutschsprachige Raum ist sich nicht ganz einig, ob der erste November ein Feiertag sein soll oder nicht. Algerien ist da weniger zweigeteilt: Der 1. November sei für die nationale Identität der Algerier*innen bis heute der wichtigste Bezugspunkt, so zumindest das Online-Magazin Maghreb-Magazin.
Am 1. November 1954 begann offiziell das in Algerien als „Revolution“ benannte, bei uns als „Algerienkrieg“ bekannte, aktive Ringen um die Unabhängigkeit von Frankreich. Im März des Jahres 1954 hatte sich die nationale Befreiungsfront FLN (Front de Libération National) gegründet und eröffnete am 1. November den bewaffneten Kampf gegen die französischen Truppen.
Allein an diesem Tag soll sie über 70 Anschläge auf die französische Polizei und das Militär verübt haben sowie auf Algerier*innen, die mit Frankreich kooperierten. In den Monaten danach folgten hunderte weitere Angriffe. Die FLN politisierte die Bevölkerung Algeriens und wurde zudem von weiteren afrikanischen Staaten unterstützt. Über mehrere Jahre zog sich die Auseinandersetzung hin. Obwohl ein Referendum 1961 innerhalb der französischen Bevölkerung sogar zugunsten der Unabhängigkeit Algeriens ausfiel, führte das noch kein Ende der gegenseitigen Anschläge herbei. Dies erfolgte erst am 18. März 1962 mit dem Abkommen von Évian, das gleichzeitig als Waffenstillstands- und Selbstbestimmungsvereinbarung für Algerien fungierte.
Der Algerienkrieg gilt in der Geschichtsschreibung als einer der blutigsten Befreiungskämpfe des 20. Jahrhunderts, auch wenn selbst die Bezeichnung als „Krieg“ noch immer teilweise umstritten ist. Nicht vergessen werden können die Folterpraktiken, willkürliche Inhaftierungen und Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren, massive Zwangsumsiedlungen ländlicher Bevölkerungsteile und nicht zuletzt das Massaker von Paris, bei dem die französische Polizei bis zu 200 Demonstrant*innen getötet und rund 11.000 außer Landes deportiert haben soll.
Trotz der Grausamkeiten, die dieser lange Unabhängigkeitskampf mit sich brachte, wird der 1. November von den Algerier*innen gefeiert, in diesem Jahr offiziell als der „65. Jahrestag des Beginns des nationalen Befreiungskampfes“. Nur wenige Wochen später, am 12. Dezember 2019, sollen die nun schon so oft verschobenen Präsidentschaftswahlen endgültig stattfinden. Neu verabschiedete Gesetze sollen für Transparenz und Neutralität bei der Wahl sorgen. Wir wünschen dem algerischen Volk zum Jahrestag eine Zukunft ohne Blutvergießen und voller Möglichkeiten zu politischer Partizipation. Über die Wahl berichten wir selbstverständlich in unserer Printausgabe.
Julia Bittermann