Der Ball der Heuchler
Mehrere hundert Staatschefs und RegierungsvertreterInnen aus der ganzen Welt. Fünf Trauertage in Indien, drei in Bangladesch, Venezuela, Äthiopien, Südsudan, Senegal, Nigeria und mehreren anderen afrikanischen Ländern. Drei Tage auch bei der Afrikanischen Union in Äthiopien. Flagge auf Halbmast in den USA, Kanada, Australien, bei der EU in Brüssel (28 Fahnen), bei der FIFA, im Olympischen Komitee, in Algerien und in mehreren Ländern, die ich hier nicht alle aufzählen kann.Kein Afrikaner außer dem altägyptischen König Ramses II, vor 3226 Jahren gestorben, erweckt so viel Interesse weltweit wie Mandela. Womit hat das zu tun? Ein Freund sagte mir vor kurzem: „Wenn die westliche Welt sich so für einen Afrikaner aktiviert, dann gibt es etwas Faules irgendwo.“ Ich erwiderte: Was zum Beispiel? Moralisch und politisch hat er was Unglaubliches geleistet, aber ökonomisch null. Diese Würdigungslawine für Mandela sollte uns überhaupt nicht vergessen lassen, dass es nicht immer so war.Mandela war für viele europäische Länder und die USA ein gefährlicher Mann und Terrorist. Ist sein Name auf der Terroristenliste der USA nicht erst im Jahre 2008 gelöscht worden? Das Leben von Schwarzen war in den Augen der EU und US-PolitikerInnen nichts wert. Der Gipfel war während des Soweto-Aufstandes am 16. Juni 1976 erreicht. Der blutigste Mittwoch der südafrikanischen Geschichte, wie die Johannesburger „Sunday Times“ einst schrieb. Niemand wird es vergessen. Polizisten, die auf Kinder schießen, Hunde, die auf Demonstranten gehetzt werden und Busse, die in Amtsgebäude rasen: Vor 37 Jahren begann in der südafrikanischen Township Soweto der blutige Aufstand gegen das weiße Unterdrückerregime – der Anfang vom Ende der Apartheid. Warum protestierten schwarze Kinder? Weil sie es als eine Demütigung empfanden, Afrikaans, die Sprache der Buren, als Unterrichtssprache zwanghaft zu adoptieren. Seit 1991 wird dieser Tag als internationaler Tag des afrikanischen Kindes anerkannt. Sechszehn Jahre vorher, am 21. März 1960, wurden 69 Schwarze, darunter acht Frauen und zehn Kinder, zumeist von hinten erschossen, weitere 180 – nach anderen Angaben über 300 – Demonstranten wurden verletzt. Zahlreiche Verletzte wurden später inhaftiert. Aus diesem Grund wurde von der UNO der 21. März zum „Internationalen Tag gegen Rassismus“ erklärt.In den 60er- und 70er-Jahren war Südafrika für die Strategen der NATO ein wichtiger Strategiepunkt für die Kontrolle der Seerouten für ehemalige Supertanker. Ebenso galt das Land als Quelle für lebenswichtige Mineralstoffe wie Uran, der in der Rüstungsindustrie zum Einsatz kam. Südafrika entwickelte unter der Apartheidsregierung Atomwaffen in Kooperation mit Israel. Im März 1975 führten die damaligen Verteidigungsminister Israels, Shimon Peres, und Südafrikas, Pieter Willem Botha, Gespräche über den Verkauf israelischer Atomwaffen an Südafrika. Dieses Land galt damals in der Region als eine klare anti-kommunistische Front. Da in der Region in Angola und Mosambik ein gnadenloser Krieg gegen die ehemalige Kolonie und NATO-Mitglied Portugal geführt wurde.Während Österreich Milliarden Apartheidsgeschäfte macht….Über Leichen zu gehen, um Geschäfte zu machen, war auch Teil der Wirtschaftspolitik unseres Landes. Seit Beginn der 70er, obwohl die österreichische Außenpolitik sich an der Beachtung der Menschenrechte orientierte, verfolgten die österreichischen Handelsgesellschaften eine wichtige und wachsende Rolle in der Unterstützung des Apartheidsregimes, schrieb Walter Sauer, Anti-Apartheids-Aktivist, im Jahr 1988.Mehrere Firmen unseres Landes verdienten ausgezeichnet trotz ihres Wissens über das brutale Apartheidssystem in Südafrika. Die Firma, die am meisten verdiente, war die Voest Alpine mit Milliarden-(Schilling)-Projekten, Austria-Email, Binder & Co, Heid Ag, Hinteregger, Motronic. Auch Siemens Austria u.a. bei der Entwicklung eines mobilen drahtlosen Telegraphiesystems für das südafrikanische Post- und Telegraphenamt (100 Mio. Schilling). Besonders interessant war der militärische Sektor. Im November 1986 unterschrieb die österreichische Gesellschaft HB Aircraft Industries einen Vertrag mit einer südafrikanischen Bank und lieferte Flugzeuge für Überwachungsaufgaben und Polizei-Einsätze, natürlich gegen die Schwarzen. Zehn Jahren vorher verkaufte die österreichische Firma Polyair ihre Technologie für die Produktion von Plastikreifen, um für ein bewaffnetes Infanterie-Kampffahrzeug der südafrikanischen Armee bei Operationen der Besatzungsmächte in Namibia und Süd-Angola verwendet zu werden. Walter Sauer zitiert folgende Firmen in seinem äußerst gut recherchierten Beitrag aus dem Jahr 1988: Österreichische Banken waren auch verstrickt in der Finanzierung der Apartheid. Im Jahre 1988 geht aus den Untersuchungen des UNO-Center gegen Apartheid hervor, dass fünf österreichische Banken – davon zwei verstaatlichte – an 18 öffentlichen Syndikatsdarlehen an Südafrika zwischen 1972 und Mitte 1982 beteiligt sind. Gesamtsumme 682 Millionen US Dollar. Weitere 959,7 Millionen US-Dollar – dieses Mal aus 8 österreichischen Banken – wurden nachgewiesen.….Entsteht eine sehr aktive Anti-Apartheid-SolidaritätsbewegungÖsterreich hat eine traditionsreiche Zivilgesellschaft, deren Kampf im globalen Kontext fest verankert ist. Das Engagement der österreichischen Zivilgesellschaft gegen das Apartheidsregime in Südafrika fing im Jahre 1960, kurz nach dem Massaker von Sharpeville, an. Im Jahre 1976 wurde eine bundesweite Anti-Apartheids Bewegung gegründet mit folgenden drei Hauptbereichen: Verbreitung von Information über die Situation in Südafrika, Namibia und der Region, Unterstützung der Befreiungsbewegungen und drittens aktiv zu sein in der publizistischen Erforschung und Anprangerung aller Formen österreichischer Kollaboration mit dem Apartheidsregime. Durch unzählige Aktivitäten wie z.B. harsche Kritik an der Unterstützung Österreichs für das weiße Minderheitsregime im damaligen Rhodesien, Namibia und Südafrika, Demonstrationen, kulturelle Veranstaltungen, politisches Lobbying, Spendensammeln für Befreiungsbewegungen, humanitäre Aktionen zur Unterstützung von südafrikanischen Flüchtlingen initiieren, Informationskampagnen organisieren, Petitionen zur Befreiung von politischen Aktivisten initiieren etc … erreichten mehr Öffentlichkeit und zwangen die österreichische Regierung und die Wirtschaft sich nach den demokratischen Werten in Verbindung mit Südafrika zu orientieren. Mit der Legalisierung des ANC durch das südafrikanische Apartheidsregime, die Freilassung Mandelas im Februar 1990 und die Etablierung des Transitional Executive Council in Südafrika sah die österreichische Anti-Apartheids Bewegung (AAB) am 27. November 1993 ihren Vereinszweck, nach 17 Jahren Kampf, als erfüllt an und wurde aufgelöst. Auf Initiative von Elfriede Penny entstand das renommierte Dokumentations- und Kooperationszentrum Südliches Afrika SADOCC. Ein Referenzpunkt zum Thema südliches Afrika im deutschsprachigen Raum. Darauf dürfen wir sehr stolz sein.
simon INOU