„Der Regierung würde ich gerne sagen: Es ist kein Verbrechen, schwul zu sein!“
In unserer Juni-Juli-Ausgabe beschäftigen wir uns mit dem Thema Homosexualität in Afrika. Ein homosexueller Mann schenkt uns im folgenden Interview Einblick in sein Leben in Kamerun. Um seine sexuelle Orientierung leben zu können, nimmt er in Kauf, dass seine Familie ihn ablehnt, dass er gelegentlich verhaftet und häufig schikaniert und bloßgestellt wird. Entmutigen lässt er sich aber nicht.
Wie hast Du bemerkt, dass Du gleichgeschlechtliche Beziehungen vorziehst?
Ich kann nicht wirklich genau sagen, wie es dazu kam. Ich beobachtete, wie ich mich zu Männern hingezogen fühlte und mich seltsam benahm. Bevor ich es wusste, begannen Leute mich aufgrund meiner seltsamen Verhaltensweisen zu verdächtigen. Als meine Eltern den Nordwesten 2016 wegen der sozialen Krise verließen und nach Yaounde gingen, begegnete ich Menschen, die so waren wie ich und mich weiteren vorstellten. Wir trafen uns meist nachts bei einem speziellen Imbiss, um uns ganz frei fühlen zu können.
Wissen Deine Eltern, dass Du schwul bist?
Ja, sie wissen es. Deshalb lehnen sie mich seit Dezember 2018 ab. Ein ehemaliger Freund entdeckte, dass ich Männer date, und ging damit direkt zu meinem Vater. Zuerst glaubte mein Vater es nicht, bis er herausfand, dass ich mich nicht mehr für Frauen interessiere, nachdem sie mehrmals vergeblich versucht hatten, mir eine Ehefrau zu verschaffen. Sie mussten mich schlussendlich aus dem Haus werfen.
Wo lebst Du jetzt, und wie bestreitest Du Deinen Unterhalt?
Ich lebe zusammen mit einem anderen Schwulen, dessen Eltern im Ausland sind. Wir leben beinahe wie ein Paar, weil wir unser Leben gemeinsam organisieren. Wir wurden zweimal verhaftet, aber dann auch wieder freigelassen aufgrund ehrlicher Aussagen.
Der Freund, mit dem ich zusammenwohne, erhält die Mietzahlungen der Mieter seiner Eltern. Dieses Geld verwalten wir. Außerdem haben wir eine Schwulenvereinigung, über die wir Fördergelder von internationalen Organisationen erhalten. So kommen wir über die Runden.
Bedauerst Du es, ein Homosexueller in Kamerun zu sein?
Ich bedauere gar nichts. Keiner hat mich zu irgendetwas gezwungen. Ich könnte jederzeit entscheiden, wegzugehen oder die Dinge anders zu tun. Aber das tue ich nicht, weil ich meine Wahl nicht bedauere. Das einzige, was ich bedauere, ist, dass mir meine Familie fehlt. Ich weiß aber, dass sie mit der Zeit meine Entscheidung verstehen und mich dann auch unterstützen wird.
Obwohl unser Umfeld, und damit meine ich Kamerun, uns sehr feindselig gegenüber steht, insbesondere mir, muss ich nicht kehrtmachen. Das ist einfach der Preis, den man zahlen muss, um seine Homosexualität in Kamerun zu leben. Ich werde oft schikaniert, öffentlich bloßgestellt, beschämt für das, was ich bin, aber das entmutigt mich in keinster Weise.
Wenn Du die Möglichkeit hättest, eine Bitte an die Regierung und die internationale Gemeinschaft zu stellen, was wäre Deine Bitte?
Der Regierung von Kamerun würde ich gerne sagen, dass es kein Verbrechen ist, schwul zu sein! Wir sind menschliche Wesen, genau wie jede*r andere Kameruner*in. Unsere Rechte müssen geschützt werden. Diskriminierung sollte nicht auch noch bestärkt werden.
Die internationale Gemeinschaft sollte Kamerun mehr unter Druck setzen, uns so zu akzeptieren, wie wir sind. Kamerun sollte gezwungen werden, internationale Gesetze zu respektieren, das ist alles, was ich dazu sagen kann.
Das Interview führte Amos Muang Nsah, übersetzt von J. Bittermann.