Deutscher Völkermord: Anerkennung reicht nicht!

Deutscher Völkermord: Anerkennung reicht nicht!

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Völkermord verjährt nicht. Der Aufruf von Berlin Postkolonial im letzten Jahr hatte zur Folge, dass die Bundesregierung, 111 Jahre nach Ende der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia, die Massenmorde an den Ovaherero und Nama von 1904 bis 1908 als Völkermord anerkannte. Rechtliche Folgen hat die offizielle Einstufung als Genozid keine. Deshalb tagte vom 14. bis 16. Oktober im Centre Francais de Berlin der erste transnationale Kongress zum Völkermord an den Ovaherero und Nama.

Dr. Ngondi Kamatuka, Direktor des Center for Educational Opportunity Programs (c) P. Nugel

50 Ovaherero- und Namadelegierte kamen am Wochenende des 14. Oktober zusammen, um gemeinsam zu diskutieren und zu protestieren. Der erste Genozid-Kongress „Restorative Justice after Genocide“ („Ausgleichende Gerechtigkeit nach Völkermord“) in Berlin befasste sich mit der Aufarbeitung des Völkermords an den Ovaherero und Nama 1904 bis 1908. Denn 112 Jahre, nach Ende der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia, reagierte die deutsche Regierung kaum auf Forderungen nach Wiedergutmachung. 2015 bezeichnete die Bundesregierung die Morde zwar erstmals als Völkermord, rechtliche Folgen hatte dies keine. Den Ovaherero- und Namadelegierten ging es nun vor allem darum, sich im Herkunftsland der Menschen, die ihre Vorfahren umbrachten, Gehör zu verschaffen. Denn seit zwei Jahren werden sie von den Verhandlungen zwischen der deutschen mit der namibischen Regierung ausgeschlossen.

Laut Auskünften des Auswärtigen Amts könnte es eine offizielle Entschuldigung für den Völkermord Ende dieses Jahres geben, falls die Gespräche von deutscher mit namibischer Regierung bis dahin beendet sind. Forderungen nach finanzieller Entschädigung seitens der Ovaherero und Nama wurden bisher vom Sonderbeauftragten für die deutsch-namibische Vergangenheitsbewältigung, dem ehemaligen Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses Ruprecht Polenz, abgelehnt.

Der Kongress startete am Freitagvormittag mit einer Pressekonferenz im Bundestag. Danach ging es ins Centre Francais de Berlin, wo verschiedene Redebeiträge folgten. Dr. Ngondi Kamatuka, Direktor des Center for Educational Opportunity Programs in Kansas (USA), forderte eine Entschädigung für das von den deutschen Kolonialherren gestohlene Land. Außerdem sei eine Überarbeitung der deutschen Schulbücher notwendig, da dieses Kapitel der Geschichte bis jetzt kaum erwähnt wird.

Von 1884 bis 1915 herrschte Deutschland über die Kolonie Deutsch-Südwestafrika, heute Namibia. Als die dort lebenden Ovaherero im Januar 1904 einen Aufstand gegen die Kolonialherren anfingen, schickte das Deutsche Kaiserreich Truppen, die unter General Lothar von Trotha das Volk der Ovaherero fast vollständig auslöschten. Der Aufstand der Nama im Juli desselben Jahres wurde ebenfalls brutal niedergeschlagen. 110.000 Ovaherero und Nama verloren ihr Leben.

Ida Hoffmann, namibische Parlamentsabgeordnete (c) P.Nugel
Ida Hoffmann, namibische Parlamentsabgeordnete (c) P.Nugel

Ida Hoffmann, Mitglied des namibischen Parlaments, verweist in ihrer Rede auf die Missstände wie mangelnde Bildung, unter denen die Ovaherero und Nama heute leiden. Kritik erntet Namibias Präsident Hage Geingob, der für die Verbesserung der Lebenssituation der Ovaherero und Nama nichts tue, da er Angst habe, Deutschland als Entwicklungshelfer zu verlieren. Deshalb fordert sie Deutsche dazu auf, weiter als bis Windhoek zu reisen, umso die Lebensverhältnisse ihrer Volksleute zu sehen. Vielleicht hilft das dabei, die Forderungen nach einer Entschuldigung, nach Anerkennung, nach direkter Teilhabe an Verhandlungen und nach Reparationen zu verstehen.

Am Sonntag fand ein Protest- und Solidaritätsmarsch zum wiederaufgebauten Berliner Schloss mit den Ovaherero- und Namadelegierten statt. Heute als Humboldt-Forum bekannt, diente das Schloss einst Kaiser Wilhelm II. als Wohnsitz. Der Kaiser war als Hauptverantwortlicher am Völkermord beteiligt. Nach dem Marsch wurde das Deutsche Historische Museum besucht. Die dort ab dem 14. Oktober gezeigte Ausstellung „Deutscher Kolonialismus. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart“ wurde ohne Mitwirken von afrikanischen Expert_innen konzipiert. Trotz Anfragen der Kongressveranstalter wurde die Ausstellung ohne die Delegierten eröffnet.

Chief Sam Kambazembi (links im Bild) (c) P.Nugel
Ovaherero-Chief Sam Kambazembi (links im Bild) (c) P.Nugel

Im Interview mit LoNam appellierte Chief Sam Kambazembi, ein traditioneller Führer der Ovaherero, an die deutsche Regierung, die friedliche Haltung seiner Landsleute nicht weiter auszunutzen. Bis zum Jahresende müssen sich die Ovaherero und Nama weiter gedulden. Dann bleibt abzuwarten welche Konsequenzen — falls es überhaupt welche gibt — die Entschuldigung nach sich zieht.

Paula Nugel