Die Kanzlerin auf Afrikareise
Drei Tage, drei Länder: Vom 8. bis 11. Oktober besuchte Bundeskanzlerin Merkel Mali, Niger und Tschad. In Gesprächen mit Präsidenten, Premierministern, Vertreter_innen von Militärmissionen und zivilen Organisationen werden vor allem die Themen Frieden, Sicherheit, wirtschaftliche und nachhaltige Entwicklung in den Fokus genommen.
Mali:
Als erstes deutsches Staatsoberhaupt besuchte Merkel zuerst Mali, wo Deutschland in drei militärischen Missionen aktiv ist. In Bamako traf sie unter anderem Soldat_innen, die in der Mission MINUSMA stationiert sind. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem malischen Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita bedankte sich dieser für die militärische Unterstützung Deutschlands zur Friedenssicherung in Mali und der Sahel-Zone. Die Bundeskanzlerin kündigte an, die Entwicklungszusammenarbeit mit Mali insbesondere im Norden des Landes verstärken zu wollen. Zudem werde man gemeinsam mit Frankreich, Italien, Niger und Mali eine „Migrationspartnerschaft“ bilden. Anders als der Name vermuten ließe, geht es hierbei wohl vor allem darum, Migration aus den westafrikanischen Ländern nach Europa zu verhindern. Oder, wie es die Kanzlerin ausdrückt: „Es ist ganz, ganz wichtig, dass die Länder Afrikas nicht die besten Köpfe verlieren.“ Auch die Bekämpfung von Drogen- und Menschenschmuggel über Mali als Durchgangsland spiele in der künftigen Zusammenarbeit eine Rolle. Präsident Keita ergänzte, dass sein Land sich nach Kräften bemühe, den Migrationsfluss nach Europa einzudämmen.
Niger: Klassische Entwicklungshilfe – Gefordert, gefördert
Vor allem in Niger wirkt der Besuch der Bundeskanzlerin wie eine klassische Begegnung zwischen Geber und Nehmer. Der Präsident des westafrikanischen Landes, Mahamadou Issoufou, hält die Hand auf, fordert Entwicklungshilfe durch Deutschland nach Vorbild des Marshall-Plans, der in Europa zu Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg umgesetzt wurde. Dies lehnte Merkel ausdrücklich ab. Dennoch: Sie sagt dem Land ‚Hilfen‘ in Millionenhöhe zu, für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, insbesondere jedoch für die bereits erwähnte ‚Migrationspartnerschaft‘. Jedes Jahr durchqueren hunderttausende Flüchtlinge Niger, um über Libyen ans Mittelmeer zu gelangen. Von den bisherigen Bemühungen des Landes unter anderem um zurückgekehrte Migrant_innen überzeugte sich die Kanzlerin bei einem Besuch des Regionalbüros der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Niamey.
Äthiopien: Begegnung mit Spannungen
Überraschend scharf war der Ton Merkels beim Treffen mit dem Premierminister von Äthiopien, Hailemariam Desalegn. Angesichts der seit den letzten Wahlen andauernden Proteste und Repressionen im Land mahnte sie an, Konflikte sollten nicht „über Gewalt entladen“, Dialog und Demokratie müssten gefördert werden. Die Einladung, eine Rede vor dem äthiopischen Parlament zu halten, lehnte die Bundeskanzlerin ab. Es käme nicht in Frage, so hieß es aus deutschen Regierungskreisen, ein Parlament zu unterstützen, in dem alle Abgeordneten seit 25 Jahren der machthabenden Partei angehörten. Desalegn gestand infolgedessen Demokratiedefizite ein und gab an, das Wahlsystem reformieren zu wollen, um der Opposition mehr Raum zu geben.
In ihrer Rede vor der Afrikanischen Union (AU) äußerte sich Merkel jedoch auch anerkennend gegenüber Äthiopien: „Es ist beeindruckend, dass Staaten, die selbst große Entwicklungsprobleme haben, Flüchtlinge aufnehmen. Ich will an dieser Stelle beispielsweise – auch in Anwesenheit des äthiopischen Premierministers – Äthiopien dafür danken, dass es ungefähr 700.000 Flüchtlingen Schutz gewährt.“
Partnerschaft oder Belehrungen?
Diese Rede zur Eröffnung des neuen, von Deutschland finanzierten ‚Julius Nyerere Gebäudes für Frieden und Sicherheit‘ der AU, bildete den Abschluss und eigentlichen Anlass der Afrikareise der Kanzlerin. „Mit diesem modernen Gebäude bekommt die Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur in wörtlichem wie in übertragenem Sinne mehr Raum“, so Merkel zur Einweihung des Baus. Feierlich war der Ton auch in dieser Rede jedoch nicht immer, auch hier erhob ‚Mutti Merkel‘ mehrmals den Zeigefinger. So appellierte sie an die AU-Mitgliedsstaaten, ihre Interessen „in möglichst großer Einigkeit“ zu vertreten, sprach ihre Sorge über die Situationen in Burundi und der DR Kongo aus und forderte erneut verstärkte Bemühungen zur Stabilitätssicherung – und damit Migrationsverhinderung – in Transitstaaten wie Mali. Als zentrale Aufgaben nannte sie die Stärkung privater Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent, den Ausbau der Infrastrukturen und die Verbesserung der Ausbildungsmöglichkeiten.
Trotz der mütterlichen Ermahnungen räumte Merkel abschließend auch Fehler Europas und Deutschlands im Hinblick auf den afrikanischen Kontinent ein und hob das Konzept der Partnerschaft im Gegensatz zu klassischer Entwicklungshilfe hervor:
„Die entscheidenden Weichen für eine tatsächlich gute Zukunft dieses Kontinents gilt es heute, in der Gegenwart, zu stellen […] auch von uns, den Ländern Europas. Dabei stehen Deutschland und die Europäische Union gerne an Ihrer Seite. Wir stehen an Ihrer Seite in einer Art und Weise, die nicht vorschreibt, wie Sie es machen sollen. Wir wollen vielmehr Partner sein, die im Übrigen auch noch viel über Ihre Geschichte, Ihre Kultur und das, was Sie bewegt, lernen müssen. Unser Wissen in Europa über Afrika ist nicht ausreichend; das sage ich jedenfalls für mich als deutsche Bundeskanzlerin und für viele in Deutschland. Wir müssen verstehen, dass Afrikas Wohl im Interesse Deutschlands und im Interesse Europas ist. In diesem Geiste wollen wir zusammenarbeiten – auch in diesem Hause, wenn wir wieder eingeladen werden.“