Deutschland hat gewählt – Wer repräsentiert die afrodiasporische Gemeinschaft im deutschen Bundestag?

Deutschland hat gewählt – Wer repräsentiert die afrodiasporische Gemeinschaft im deutschen Bundestag?

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1. Anwältin für Asylrecht Awet Tesfaiesus (Bündnis90/Die Grünen) © Die Grünen, 2. Bildungspolitiker Dr. Karamba Diaby (SPD) © Olaf Kosinsky, 3. Juristin Sanae Abdi (SPD) © SPD, 4.Digitalisierungsexperte Armand Zorn (SPD) © Instagram

Am 26.09.2021 waren knapp 61 Millionen Menschen in Deutschland dazu aufgerufen, den neuen Bundestag zu wählen. Doch oftmals spiegeln die Wahllisten nicht die Vielfalt der Bevölkerung wieder. Zuletzt waren nur 8.2% der Abgeordneten des Bundestages Menschen mit einer Migrationsgeschichte. Vier der zukünftigen Abgeordneten gehören der afrikanischen Diaspora an:


Auf der hessischen Landesliste der Partei Bündnis90/Die Grünen hat Awet Tesfaiesus den Einzug in den Bundestag knapp geschafft. Sie ist Fachanwältin für Anti-Diskriminierungs-, Migrations- und Grundrechte und seit 2016 Stadtverordnete im Kasseler Rathaus, wo sie als Fraktionssprecherin für Integration und Gleichstellung tätig ist. Als wesentliche Punkte für die kommende Legislaturperiode nennt sie gegenüber der taz: „Wir brauchen dringend ein wirksames Antidiskriminierungsgesetz.“ Außerdem setzt sie sich für ein Verbandsklagerecht gegen Diskriminierungen ein, damit betroffene Einzelpersonen keine langwierigen Prozesse auf sich nehmen müssen. Auf Twitter reflektierte Awet Tesfaiesus ihre eigene Rolle als Schwarze Frau im Bundestag und bedankte sich bei den vielen ermutigenden Vorbildern: „Wenn ich heute dennoch für den BT kandidiere, dann hat das viel mit Frauen zu tun, die den Weg bereits gegangen sind, in ihren jeweiligen Gebieten die Türen geöffnet haben & sichtbar waren.“ Awet Tesfaiesus selbst ist 1974 in Asmara, Eritrea, geboren und bereits als Kind nach Deutschland gezogen.

Bei seiner ersten Kandidatur gewinnt Armand Zorn auf Anhieb das Direktmandat im Frankfurter Westen. Der 33-jährige SPD-Politiker hat sich im Wahlkampf als digital- und wirtschaftspolitischer Modernisierer profiliert und arbeitet als Unternehmensberater in Frankfurt als Digital Strategist. In den sozialen Medien zeigte er sich nach dem überraschend deutlichen Wahlergebnis sichtlich gerüht und bedankte sich für die Unterstützung und das Vertrauen der Wähler*innen. Für die kommende Legislaturperiode schrieb er dort weiter, möchte er sich „mit ganzer Kraft für mehr Klima- und Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, eine starke Wirtschaft mit guten Löhnen und Arbeitsbedingungen für alle, gute Renten, eine faire internationale Zusammenarbeit und für mehr Geschwindigkeit bei der Digitalisierung unseres Landes“ einsetzen. Armand Zorn zog in der siebten Klasse nach Halle(Saale) und wurde 1988 in Jaunde,Kamerun, geboren.

Für den Naturwissenschaftler, Umwelt- und Bildungspolitiker Dr. Karamba Diaby beginnt nun die schon dritte Periode als Abgeordneter. Erstmals und mit deutlichem Abstand zieht Karamba Diaby dabei als Direktkanditat seines Wahlkreis Halle(Saale), Kabelsketal, Landsberg und Petersberg in den Bundestag. Der SPD-Politiker sitzt seit 2013 im Bundestag und ist dort insbesondere im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung tätig. Seine Schwerpunkte zur Wahl sind u.a. soziale Gerechtigkeit bei der Bildung und die Einführung eines Bürgergeldes an Stelle von Hartz IV. Karamba Diaby wurde 1961 in Marsassoum, Senegal, geboren, und erhielt Ende der 80er Jahre ein Stipendium für ein Studium in der DDR. Dort promovierte er zunächst über die Schwermetallbelastung in Böden und engagierte sich bereits seit den 1990er Jahren politisch auf kommunaler Ebene.

Für die Kölner Innenstadt ist Sanae Abdi als Direktkandidatin in den Bundestagswahl gewählt worden. Die SPD-Politikerin erhielt mit 27,9 % knapp die meisten Stimmen im Wahlkreis und zieht somit ebenfalls in den Bundestag. Die Tochter eines Dachdeckers aus dem Sauerland und einer Schneiderin aus Marokko ist 1986 in Tetouan, Marokko, geboren und in Lüdenscheid aufgewachsen. Sie hat Rechtswissenschaften studiert und war zuletzt bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig. Politisch setzt sie für soziale Gerechtigkeit und konsequenten Klimaschutz sowie gegen Rassismus ein und war zuvor Sprecherin für Gleichstellung im lokalen Parteikreis. In der SPD-eigenen Zeitschrift Vorwärts erzählt sie von ihrem langwierigen Bildungsaufstiegs: „Menschen mit Migrationsgeschichte sind in dieses Land gekommen und mussten sich ihr Leben von null auf hundert aufbauen.“ Sie betont dabei, dass sie sehr dankbar ist für die sozialdemokratischer Bildungspolitik, welche ihr diesen Weg ermöglicht hat. Auf den sozialen Medien postet sie nun erstmal ihr nächstes Ziel, den Wegweiser zum Bundestag.

Überblick
Nach dem vorläufigen Ergebnis des Bundeswahlleiters ist die Sozialdemokratische Partei (SPD) als stärkste Kraft mit 25,7% der Stimmen gewählt worden. Die konservativen Unionsparteien CDU und CSU kommen zusammen auf 24,2% und sind somit nach dem Ende der Ära von Dr. Angela Merkel stark geschwächt. Bündnis90/Die Grünen und die Freie Demokratische Partei (FDP) sind mit 14,8% und 11,5% dritt- und viertstärkste Parteien. Außerdem kommt die rechtpopulistische Alternative für Deutschland (AfD) mit 10,3 % und die Partei Die Linke mit 4,9% in den Bundestag. Die Regierung wird vermutlich aus einer Koalition aus drei Parteien gebildet werden müssen.

Text: Martin Roggenbuck