Die Afrikanische Straße und ihr Safari-Design

Die Afrikanische Straße und ihr Safari-Design

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Eindrücke vom U-Bahnhof Afrikanische Straße in Berlin © Paula Hampel

Warum sieht man an den Wänden der Berliner U-Bahn-Station Afrikanische Straße Fotografien von Nilpferden, Zebras, Sonnenuntergängen und Baobab-Bäumen? Warum galten ausgerechnet diese Motive den Berliner Verkehrsbetrieben als „passend“? Und was sagt das über den westlichen Blick auf den afrikanischen Kontinent aus?

Der nigerianisch-britische Fotograf Akinbode Akinbiyi stellte diese Fragen bereits 2020 in einem Interview mit der taz. „Wenigstens Menschen hätte man fotografieren können“, wird er kopfschüttelnd zitiert. Seine Irritation verweist auf die kolonialen Kontinuitäten, die in solchen Bildern fortleben und in postkolonialen Debatten seit Jahrzehnten reflektiert werden.

Frantz Fanon, einer der einflussreichsten Vordenker der Dekolonisierung, beschrieb bereits 1961 in seinem Hauptwerk „Die Verdammten dieser Erde“, Entmenschlichung als ein zentrales Element kolonialer Machtausübung: Sub-Sahara-Afrika werde als „wilde, barbarische, unzivilisierte und leblose Region“ dargestellt.

Auch die Literaturwissenschaftlerin Gayatri Chakravorty Spivak zeigt in „Can the Subaltern Speak?“ (1988), wie marginalisierte Gruppen im westlichen Diskurs als stumm und anonym konstruiert werden. Der europäische Blick fungiere als universeller Maßstab und mache das „Andere“ zum Objekt der Darstellung, nicht zum sprechenden Subjekt.

 „Weite, leere Flächen und Wildtiere sind entscheidend – Afrika ist das Land der weiten, leeren Flächen.“, so knüpft der kenianische Schriftsteller Binyavanga Wainaina 2003 in seinem berühmten Essay „How to Wirte About Africa“ auf satirische Art und Weise an die Kritik von Spivak, Fanon und vielen anderen dekolonialen Denker*innen an. Wainaina prangert insbesondere die vereinfachte und stereotype Darstellung Afrikas in westlichen Medien und der Literatur an – Argumente, die sich ebenso auf die Repräsentation Afrikas im öffentlichen Raum übertragen lassen.

Im Jahr 2024 machte die Architekturforscherin Tonderai Koschke mit einer künstlerischen Intervention, im Rahmen der Dekolonial Berlin Residency auf die Reproduktionen eines verzerrten Afrikabildes in der U-Bahn-Station aufmerksam.

Afrika erscheint dort nicht als Kontinent vielfältiger Gesellschaften und Kulturen, sondern als Projektionsfläche kolonialer Vorstellungen von Natur und Wildnis – sichtbar, aber ohne Stimme oder Gesicht.

Nun sind Koschkes Kunstwerke in vier Kacheln am Ein- und Ausgang der Station zu sehen. Sie zeigen Architekturen, die das Alltagsleben verschiedener afrikanischer Zivilisationen prägen und geprägt haben, und bilden so einen deutlichen Gegenentwurf.

Paula Hampel