Kleine Erfolge im Kampf gegen die Genitalverstümmelung

Kleine Erfolge im Kampf gegen die Genitalverstümmelung

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Dr. Pierrette Herzberger-Fofana zum FGM-Aktionstag am 6. Februar 2018.

Dr. Pierrette Herzberger-Fofana Foto: privat, Bearbeitung: AMZ

Das Thema des 6. Februar dieses Jahres, das die UNO im Einklang mit dem Inter-Afrikanischen Komitee (IAC/CI-AF) mit der UNO vorschlägt, ist: „Stop die Genitalverstümmelung. Null Toleranz bis 2030 zu erreichen.“

Die weibliche Genitalverstümmelung besteht in der teilweise oder vollständigen Entfernung der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane. Es handelt sich um eine für die Gesundheit von Mädchen und Frauen schädliche Tradition, die einer schweren Menschenrechtsverletzung gleichkommt. Weibliche Beschneidung ist nicht nur ein Problem ferner Ländern, sondern auch in Europa werden Mädchen ohne medizinische Indikation beschnitten oder an ihren Genitalien verstümmelt, so wie wir es in Deutschland auch vermuten.

Viele Migrantinnen aus den subsaharischen Ländern Afrikas halten dennoch an den heimatlichen Riten einer Genitalverstümmelung (FGM/MGF. Female Genital Mutilation/Mutilation Génitale Féminine) fest. Die Zuwanderung von Mädchen und Frauen aus den Hochburgen der FGM (Somalia, Äthiopien und Eritrea) zeigt die Brisanz dieser Thematik in Deutschland, die bis jetzt totgeschwiegen wird. Nach einer Studie des Bundesfamilienministeriums von 2017 gibt es in Deutschland geschätzt 50.000 betroffene Frauen. Die Flüchtlingspolitik wird nicht unter dem Aspekt „Gender“ behandelt und die speziellen Probleme, die geflüchtete Frauen betreffen, haben noch keine Resonanz gefunden.

Die Länder aus den Regionen des Nahen Osten wie Irak, Iran und Indonesien zögern, eine breite Offensive gegen die Genitalverstümmelung zu starten. Die Aktivistinnen stoßen noch auf heftigen Widerstand seitens der einheimischen Bevölkerung. Die Hemmschwelle ist in diesen Ländern noch zu groß, um eine breite Aufklärungskampagne zu starten. Denn das Thema wurde noch bis vor kurzem tabuisiert. Die religiösen Würdenträger sowie die Machthaber haben in diesen Gegenden noch nicht klar Stellung bezogen. Die Opfer einer solchen Menschenrechtsverletzung sind sich selbst überlassen

Auch wenn die FGM/MGF lange Zeit in den meisten praktizierenden Ländern als positive soziale Norm angesehen wurde, ist es heutzutage wissenschaftlich erwiesen, dass dieser gesundheitsgefährdende Brauch schlicht schlimme Folgen hat und sogar schwere körperliche und seelische Schäden mit sich bringt. Man muss noch viel Überzeugungsarbeit leisten und erklären welche Gefahr ein solcher Eingriff für die Gesundheit der Mädchen und Frauen in sich verbirgt.

Auf Initiative des Inter-Afrikanischen Komitees: Comité inter-Africain/Inter African Committee (CI-AF/IAC) proklamierte die UNO den 6. Februar als Aktionstag „Null Toleranz gegenüber weiblicher Beschneidung oder Genitalverstümmelung“ (FGM/MGF: Femal Genital Mutilation/Mutilations Genitales Féminines). Ziel dieses Aktionstags war bis 2015, die Genitalverstümmelung auf der ganzen Welt abzuschaffen. Die Realität sieht aber anders aus. Zwar ist die Zahl der beschnitten Frauen zurückgegangen. Dennoch leiden schätzungsweise knapp 150 Millionen Frauen unter diesem Brauch.

Dank der vielen Sensibilisierungskampagne in ganz Afrika verzichten immer mehr Familien darauf, dass der traditionelle Brauch bei ihren Töchtern vollgezogen wird. Somit wächst eine neue Generation von Mädchen unversehrt auf. Bei dem Gipfel der Afrikanischen Union 2011 verabschiedeten die Staatschefs eine Charta anläßlich der alljährlichen Konferenz der Afrikanischen Union in Malabo in Äquatorialguinea.

Diese Charta erkennt ausdrücklich die FGM/MGF als Menschenrechtsverletzung an und spricht sich für ein generelles Verbot in allen afrikanischen Ländern aus. Bis heute haben 24 von den 29 betroffenen afrikanischen Ländern, Gesetze verabschiedet, um diesen traditionellen Brauch abzuschaffen. Gambia ist das letzte Land, das am 28.Dezember 2015 per Präsidialdekret diese tradierte Sitte verbot und Nigeria verabschiedete 2014 ein Gesetz gegen die Genitalverstümmelung.

Aus der Geschichte haben wir gelernt, dass die Verabschiedung eines Gesetzes nicht zwangsläufig eine Mentalitätsveränderung bedeutet. Aber das Gesetz erleichtert die Arbeit der engagierten Aktivistinnen, des medizinischen Personals und der PraktikerInnen. Es ermutigt auch die überzeugten Eltern auf den Brauch zu verzichten.

In Deutschland ist die FGM/MGF strafbar. Seit Juni 2013 trat das Gesetz (Art 226a StGB) in Kraft. Seither erfüllt Genitalverstümmelung den Straftatbestand der schweren Körperverletzung. Mit Optimismus blicken wir in die Zukunft: Die Eröffnung zweier Rekonstruktionsabteilungen für die weiblichen Organe in Kliniken in Aachen und Berlin wird dazu beitragen, daß betroffene Frauen ihre Weiblichkeit zurückerobern werden. Seit 2014 können sogar die Fachärzte ihre Leistung für Kassenpatienten bei den jeweiligen Krankenkassen abrechnen.

Wenn in den letzten Jahren Fortschritte in der Präventionsarbeit erzielt wurden, dürfen wir nicht verkennen, dass der Weg noch lang ist, bis alle betroffenen Volksgruppen in Afrika, Asien (Indonesien) und in den arabischen Ländern wie Jemen, Südirak, Iran und Migrantinnen in der Diaspora auf dieses Ritual freiwillig verzichten.

Die Fortschritte zeigen, dass wir uns trotz aller Hürde dem Endziel nähern: Die weltweite Abschaffung der FG FGM/MGF(Female Genital Mutilation/Mutilation Génitale Féminine). Man verzeichnet in vielen afrikansichen Ländern kleine Erfolge mit der Übergabe der Messer, die als Instrumente für den Eingriff dienten.

Der DaMigra FORWARD-Germany und der Zentralrat der afrikanischen Gemeinde in Deutschland unterstützen alle Menschen auf der ganzen Welt, die mit Respekt vor anderen Kulturen zur Abschaffung der FGM beitragen. Sie kämpfen nicht gegen die Tradition, sondern für das Ende eines Gewaltakts, der gesundheitsgefährdenden Auswirkung auf das Leben vieler Frauen hat. Gemeinsam ziehen sie an einem Strang, Erfahrungen auszutauschen, damit im Jahr 2030 das Ende der Genitalverstümmlung (FGM/MGF) auf der ganzen Welt zelebriert werden kann.

Autorin: Dr. Pierrette Herzberger-Fofana,
Vorsitzende von DaMigra. Dachverband der Migrantinnenorganisationenm, Vorsitzende von FORWARD-Germany e.V. gegen ritualisierte Gewalt und
Vorstandsfrau Zentralrat der afrikanischen Gemeinde in Deutschland