Für wen gelten Menschenrechte eigentlich?
Am 8. Juni 2018 wurde Fatou, eine geflüchtete senegalesische Frau, von einem Wachmann als einzige Schwarze Person in einem Supermarkt in Bamberg kontrolliert. Der Vorfall löste eine Reihe von Ereignissen aus, in denen sie sowohl von privaten Wachleuten als auch später von der Bamberger Polizei misshandelt und eingeschüchtert wurde. Strafrechtliche Konsequenzen richten sich jedoch bislang ausschließlich gegen sie.
Am 8. März 2019 muss sich Fatou um 12 Uhr vor dem Amtsgericht Bamberg wegen der Vorwürfe des Hausfriedensbruch und versuchter gefährlicher Körperverletzung aufgrund der Ereignisse in einem Bamberger Supermarkt verteidigen. Gegen die Wachleute wird bislang trotz Fatous Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft nur halbherzig ermittelt. Die Ermittlungen gegen die Polizist*innen wurden bereits eingestellt.
Fatou schildert die Ereignisse vom 8. Juni 2018 folgendermaßen:
„Als einzige Schwarze Frau im Supermarkt wurde ich von einem Mitarbeiter des Wachdienstes kontrolliert. Ich weigerte mich, meine Tasche zu öffnen. Daraufhin rief er die Polizei, die mich durchsuchte, ohne etwas zu finden, und mich zurück ins Lager brachte. Dort bemerkte ich, dass ich die Butter, die ich bei Netto gekauft hatte, zurückgelassen hatte und kehrte zurück, um sie zu holen. Als ich dort ankam, kamen sofort zwei Wachmänner auf mich zu und schrien: „Raus hier!“ Einer von ihnen ging hinter mir, der andere zog gewaltsam meine Hände nach hinten, sodass es wehtat. Sie brachten mich in einen Bereich hinter dem Laden. Der eine Wachmann drückte mich gegen eine Eisentreppe und verletzte mich am Hals. Als ich meinen Kopf hob, drückte er mich wieder gegen das Geländer. Der andere verletzte mich am Arm. Dann warfen sie mich mit auf den Rücken gefesselten Händen auf den Boden. Schließlich kam die Polizei und nahm mich mit.
Die Polizisten brachten mich zu einem vergitterten Polizeiwagen. Sie fesselten meine Hände und Füße und schoben mich auf den Boden des Autos, dann fuhr das Auto los. Der Polizist hinter mir drückte sein Knie gegen mein Gesicht. Ich schrie und sprach auf Französisch. Er sagte, ich solle Deutsch oder Englisch sprechen, dann schlug er mir ins Gesicht. Als wir bei der Polizeiwache ankamen, brachten sie mich in den Keller. Sie sagten mir, ich solle meinen BH ausziehen. Ich trug ein T-Shirt und eine Jacke. Die Jacke zog ich aus. Dann wurde ich in ein Zimmer mit einem kleinen Bett und einer Toilette geführt. Zwei Frauen kamen, um meinen Körper abzutasten. Vor der Tür standen zwei männliche Polizisten, von denen einer mich schon zuvor verletzt hatte. Er sagte mir, ich solle meine Strumpfhose ausziehen. Die Frauen sagten, es sei alles in Ordnung. Der Polizist antwortete, dass ich meine Strumpfhose trotzdem ausziehen solle. Ich weigerte mich und sagte ihnen, dass Ramadan sei, und wenn ich meine Strumpfhose ausziehen würde, könnte ich nicht mehr beten, und ich hätte das Recht zu beten. Die Frauen sagten, wenn ich mich nicht selbst ausziehe, würden die Männer mich ausziehen.
Kurz darauf warf mich ein Polizist auf das Bett. Er trat mit seinem Fuß auf mein Schulterblatt. Dann zogen sie mich aus. Ich verlor das Bewusstsein, entweder weil sie mir etwas injiziert haben oder weil ich wegen des Ramadans den ganzen Tag nichts gegessen oder getrunken hatte. Als ich aufwachte, hatte ich nur ein Höschen an, und der Raum war voll von männlichen Polizisten und Ärzten. Ein Arzt sagte, dass es mir nicht gut gehe und ich ins Krankenhaus gebracht werden solle. Sie verabreichten mir gegen meinen Willen ein Medikament. Dann wurde ich ins Krankenhaus gebracht. Dort wurde mir ohne meine Zustimmung Blut abgenommen. Dann holte mich die Polizei wieder ab und brachte mich in Handschellen zum Bahnhof. Sie wollten, dass ich etwas unterschreibe. Weil ich mich weigerte, gaben sie mir meine Kleidung nicht zurück. Dann setzte die Polizei mich nur mit einem Handtuch bekleidet, das mir der Arzt gegeben hatte, vor dem Lager ab.“
Leider sind die Erfahrungen und der Fall von Fatou Alltag für geflüchtete Menschen.
Sie werden mit institutionellem Rassismus, Gewalt, bürokratischer und physischer Entrechtung konfrontiert und nicht über ihre Menschenrechte informiert. Erst letzte Woche starb ein 22 jähriger geflüchteter Mann aus Somalia in einer Polizeizelle in Schweinfurt. Derzeit ermittelt das Landeskriminalamt. Die Erfahrung lässt mich aber bezweifeln, dass die wirklichen Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Wie der Fall von Oury Jalloh, bei dem nach 14 Jahren Nicht-Aufklärung der Landtag in Sachsen-Anhalt am 28. Februar 2019 einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Todesumstände von Oury Jalloh abgelehnt hat. Als einzige Partei stimmte die Fraktion der Linken für den Antrag. Die AfD lehnte ihn ab und die Koalition aus CDU, SPD und die Grünen enthielt sich. Diese Entscheidung wurde von Aktivist*innen heftig kritisiert.
Die Fälle, die uns öffentlich bekannt sind, sind alarmierend und zeigen, dass Menschenrechte ganz offensichtlich nicht für Geflüchtete gelten. Sie lassen uns anzweifeln, dass das deutsche Justizsystem sie schützt; im Fall von Fatou und vielen anderen sogar bestraft.
Der 8. März ist Frauenkampftag! Solidarisiert euch mit Fatou und unterstützt sie mit einer Spende oder vor Ort.
Spenden an:
Bayerischer Flüchtlingsrat Bank für Sozialwirtschaft IBAN: DE89 7002 0500 0008 8326 02 BIC: BFSWDE33MUE (München) Verwendungszweck „Bamberg Security“
vor Ort: Kommt am 8. März, am internationalen Frauenkampftag, ab 12 Uhr zum Amtsgericht Bamberg, um Fatous Kampf zu unterstützen und die strafrechtliche Verfolgung einer Schwarzen geflüchteten Frau kritisch zu beobachten. Tragt dazu bei, dass rassistische Wachdienst- und Polizeigewalt gegen geflüchtete Frauen beendet wird!
Adresse:
Synagogenplatz 1, 96047 Bamberg
Aaliyah Bah-Traoré