Sendepause für die Diversität?
Zwischen Volksverhetzung und Political Correctness – Die afrikanische Diaspora in der deutschen Medienlandschaft.
Das Thema Integration in den Medien löst seit einigen Jahren eine komplexe Debatte aus, in der es Politikern, Medienvertretern und Gewerkschaften schwerzufallen scheint, einen gemeinsamen Konsens zu finden. Woran liegt das?
Vielen Leute tun sich schwer, Integration nicht zwingend als Anpassung zu kultureller Homogenität (Assimiliation) zu verstehen. Stattdessen sollte sie Sinnbild für den Zusammenhalt einer Gesellschaft sein, die sich mit gegenseitigem Respekt behandelt, kulturelle Vielfalt akzeptiert und auf gemeinsamer Ebene miteinander kommuniziert. Für Medienmacher_innen ist es oft nicht leicht diese Werte so umzusetzen, dass alle Beteiligten davon profitieren.
Leider scheinen deutsche Medien der Gegenwart in vielen Bereichen noch weit entfernt von einem unkomplizierten Umgang mit kultureller Vielfalt zu sein. Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um ein Unterhaltungsangebot für verschiedene Interessengruppen, sondern vor allem darum, die Diversität der Gesellschaft in den Medien sichtbar zu machen.
Wie integrationswillig sind deutsche Medien?
Wie präsent sind afrikanische Medienmacher in der Medienlandschaft?
Dem statistischen Bundesamt zufolge, hat mittlerweile jeder fünfte, in Deutschland lebende, Mensch eine Migrationsgeschichte und damit rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung. Mit 2 Prozent unverhältnismäßig klein ist dagegen der prozentuale Anteil an den Journalist_innen unter ihnen. Bereits hier zeichnet sich ab, wie unterrepräsentiert auch die afrikanische Diaspora in der Medienlandschaft sein muss. Daran ändern auch sogenannte „Migrantenquoten“ und der Nationale Integrationsplan der Bundesregierung nichts. Den Medien fällt es schwer, ihre Redaktionen an diese gesellschaftlichen Verhältnisse anzupassen. Nur wenige profitieren derzeit von Chancen durch Afrikaner_innen im Personal, beispielsweise vor der Kamera oder im Redaktionsalltag. Durch Sprachkenntnisse in häufig mehr als zwei Sprachen erhalten sie deutlich besseren Zugang zu Informationen aus erster Hand. Afrikaner_innen könnten den so lange ersehnten Umbruch in der problem- und klischeebehafteten Afrika-Berichterstattung einleiten.
Meinungsfreiheit als Medienrecht
Der Zutritt zur öffentlichen Kommunikation wurde von den Vereinten Nationen 1948 sogar zum Menschenrecht erklärt. Medienmacher André Degbeon machte als einer der Ersten in seinem Métier von diesem Recht Gebrauch und gründete vor zwölf Jahren Afro TV Berlin. Mit seiner Medienproduktionsfirma bearbeitet er verschiedene Aufträge, produziert jedoch auch ein eigenes Fernsehformat. „Ich war der erste Afrikaner in Deutschland, der eine eigene Sendelizenz erhielt“, erzählte er LoNam. „Afrikanische Medienmacher gab es damals sehr wenige.“ Dass auch heute noch zähe mediale Unausgewogenheit herrscht, erklärt er sich vor allem durch die fehlende soziale Anerkennung von Afro-Deutschen. „Aufgrund ihres sozialen Lebens in Deutschland trauen die sich nicht, sowas zu machen.“ Ihnen fehlt der Einstieg, weil sie wegen ihres Aussehens mit mangelhaften Sprachkenntnissen in Verbindung gebracht werden. „Deutsch sein hat nichts mit der Hautfarbe zu tun“, sagt Degbeon. „Ich habe viele gebildete Jugendliche gesehen, die Moderatoren werden wollten. Ich hab alle vor die Kamera gebracht. Das ist es, was ich erreichen will. Dass diese Menschen ein Selbstbewusstsein aufbauen.“
In den letzten Jahren folgten Zahllose Degbeons Beispiel, und auch deutsche Medienunternehmen nahmen ihren Bildungsauftrag zunehmend ernst. Vor allem mit öffentlich-rechtlichen Sendern kamen diverse deutsch-afrikanische Kooperationen, wie die Talentwerkstatt „Grenzenlos“ und „African Stories“ im WDR zustande. Private Fernsehsender, die von Quoten abhängig sind, arbeiten aber nach einem anderen Prinzip. Klischees transportieren Emotionen – Emotionen bringen Quote. Die Gleichung der Wirtschaftlichkeit. Ethik muss dem Zerrspiegel weichen. Diese Erfahrung hat auch André Degbeon gemacht. Auf Anfrage nach Ausstrahlung seiner Formate erhielt er kuriose Antworten: „Mein Sendeformat enthält Personen, die den Richtlinien nicht entsprechen“, lacht er. „Die Gewerkschaften lehnen solche Sachen ab. Sie leben davon, dass sie schlecht über Afrika berichten.“
Ethnomedien rücken das Afrikabild durch positive Berichterstattung zurück in das richtige Licht. Allerdings fördern sie damit auch die Entstehung einer zielgruppengerichteten, pluralistischen Medienlandschaft. Ob das wirkungsvoller zur interkulturellen Diversität beiträgt, als bei den Mainstream-Medien Vielfalt und differenzierte Berichterstattung einzufordern?
Wie können die Medien zum Erfolg der kulturellen Integration beitragen?
Als öffentliche Plattform für Kommunikation und Information haben Medien einen erheblichen Einfluss auf die Gesellschaft. In korrekter Ausführung können sie integrativ mitwirken. Die Antwort ist also überraschend einfach: Indem sie ein Vorbild sind. Noch ist die Selbstreflexion über eingesessene Stereotype bei deutschen Journalisten recht gering – selbst in den renommierten Tagesmedien. Gedankenlosigkeit hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Die „Neuen deutschen Medienmacher“ haben dafür extra eine Formulierungshilfe für politisch korrekten Ausdruck für Journalisten entwickelt. Auch eine angemessene Repräsentation von Afrika und der afrikanischen Community sollte durch Betroffene vertreten sein, denn Medien fungieren als Spiegelbild der Gesellschaft. „Die pluralistische Gesellschaft wird derzeit in den Medien nicht so abgebildet, wie sie sich draußen abspielt“, meint auch Dietmar Schiller vom RBB. Er ist sich sicher: Wird dort Diversität sichtbar, so wird sie auch in den Alltag integriert. Mehr einheimische Korrespondenten in deutschen Nachrichten wären nur ein Beispiel. Er rät auch zu mehr Mut bei unbequemen Themen. „Eine offene Auseinandersetzung mit Tabuthemen muss möglich sein“, findet er. Denn die Realität beherberge sowohl positive, als auch negative Seiten.