Steiniger Weg in den Alltag

Steiniger Weg in den Alltag

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Podiumsdiskussion des Afrika Medien Zentrums analysiert den Weg von Geflüchteten in den Alltag.

Strobelt, Polotzki, Djiogho, Watara (v.l.) Foto: Afrika Medien Zentrum

„Von der Flucht in den Alltag“: Mit Aktivist und Integrationslotse Bruno Watara sowie Julia Polotzki und Melanie Strobelt vom Bildungsträger Stiftung Bildung Handwerk lud das Afrika Medien Zentrum drei Expert_innen ins Stadtteilzentrum Pankow ein, um mit Moderator Sylvestre Djiogho (InterEPCO) und dem interessierten Publikum darüber zu sprechen wie Geflüchtete in Deutschland ihren Weg in den sogenannten Alltag finden und welche Hürden sie dabei nehmen müssen.

Die Stiftung Bildung Handwerk veranstaltet im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit oder des Jobcenters Integrationskurse, die viele Geflüchtete verbindlich besuchen müssen. Im Rahmen des Bundesprogramms „Perspektiven für Flüchtlinge sollen diese Kurse und anschließende Praktika Geflüchteten den Weg in die Arbeitswelt ebnen.“ Melanie Strobelt meint „Flüchtlinge haben gar keine Zeit um anzukommen“ und spielt darauf an, dass auf auftretende Ängste und posttraumatische Belastungsstörungen bisher kaum Rücksicht genommen wird.

Bruno Watara, der selbst vor 20 Jahren als Geflüchteter nach Mecklenburg-Vorpommern kam, erkennt einen langsamen Sinneswandel in der deutschen Gesellschaft. Stellte sie sich der neuen Situation anfangs noch enthusiastisch, inklusive Willkommenskultur, machten sich zwei Jahre später immer öfter Enttäuschungen breit. Vielfach verhindern auch bürokratische Hürden das Weiterkommen des Einzelnen, weiß auch der Syrer Ali al-Ali zu berichten. Trotz abgeschlossenes Studiums an der Universität Aleppo, zahlreichen beglaubigten Dokumenten und erfolgreich bestandenem Deutschtest, verwehrt ihm die Beuth Hochschule für Technik Berlin seit mehreren Semestern die Immatrikulation. „Wenn ich glaube, jetzt habe ich endlich alle Dokumente, finden Sie immer noch eines, das fehlt,“ berichtet al-Ali. Andere, die sich in derselben Situation wie er befinden, fühlten sich schnell verloren und resignierten bald. Oft landeten sie dann völlig überqualifiziert und ungewollt im Niedriglohnsektor. Willkommenskultur hin oder her, der Bürokratiewahnsinn ist in der Lage gute Erfahrungen, wie eine warmherzige Aufnahme durch ehrenamtlich Tätige, zunichte zu machen. Eine Dame aus dem Publikum bezeichnet diese Erfahrung auch als „Retraumatisierung“, ein neues Trauma aus Ablehnung und dem Gefühl ungewollt zu sein.

Watara deutet an, dass der Aufbau von Beziehungen wahnsinnig wichtig ist, wenn es darum geht Vertrauen in die neue Umgebung zu entwickeln und sich damit das Gefühl einstellt, sich heimisch und integriert zu fühlen. Aber was heißt es eigentlich „integriert zu sein“, fragt eine Person aus dem Zuschauerraum. Diese Frage lasse sich nur sehr subjektiv beantworten, einigt man sich. Integration mache nicht bei Zuwanderern und Geflüchteten Halt, sondern beschäftige auch andere Personen, die sich der Gesellschaft bisher nicht zugehörig fühlen.

Die nächste Veranstaltung des Projekts „Flucht nach vorn. Migrant_innen als Vorbilder“ schon am 19. April 2017. „Aus zwei mach eins: Polizei und Migration – Eine Begegnung“ – Anmeldung unter www.amz-berlin.de