„War das überhaupt eine Revolution?“

„War das überhaupt eine Revolution?“

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„Voices after Revolution“ heißt der Dokumentarfilm von Dr. Giesela Baumgartz über die Verhältnisse in Tunesien nach der Revolution. Am Montag, 1. Dezember konnten Interessierte den Film im „Roten Salon“ der Volksbühne Berlin sehen und im Anschluss an einer Diskussionsrunde teilnehmen.

Podiumsdiskussion nach der Filmvorführung im "Roten Salon" der Volksbühne (Berlin), Foto: Afrika Medien Zentrum

Diese und andere Fragen stellt sich ein junger Mann, zu sehen im Film „Voices after Revolution“. Scheinbar hatten viele Tunesier_innen andere Erwartungen an einen politischen Umsturz. Um die Thematik in der Öffentlichkeit zu diskutieren, lud die Friedrich Ebert-Stiftung am Montag in den „Roten Salon“ der Volksbühne. Die Regisseurin des Films verbrachte in den letzten Jahren den Großteil ihrer Zeit in Tunesien und verfolgte die Umbrüche im Land hautnah. Ursprünglich plante sie einen Film zur Rolle der Frau während der Revolution. Doch schließlich wurde daraus ein Film, der die Gefühle und Meinungen von Aktivistinnen und Aktivisten nach der Revolution widerspiegelte.

Eine der jungen Frauen im Film erzählt enttäuscht, sie hatte gedacht, nach dem Sturz Ben Alis würde es allen Menschen in Tunesien besser gehen. Die Arbeitslosigkeit würde sinken und es herrsche mehr Gerechtigkeit. „Das war ziemlich naiv von mir“, fügt sie dann hinzu.

Das Hauptproblem im Bezug auf die Revolution und die folgenden Wahlen sei, dass die Jugend des Landes heute keinen nennenswerten Anteil an der neuen Regierung hat. An den Parlamentswahlen am 26. Oktober 2014 beteiligten sich gerade einmal 15 Prozent der unter 30-Jährigen. Das Podium diskutierte im „Roten Salon“ ausgiebig, woher diese scheinbare Politikverdrossenheit komme. Die Revolution sei doch größtenteils von jungen Menschen getragen worden und auch die neue Verfassung wurde gemeinsam mit der Bevölkerung erstellt. Man blieb sich uneinig, ob es an den neuen Parteien und Kandidaten liegt, weil sich die Jugend mit jenen nicht richtig identifizieren kann. Spitzenkandidat Benji Caid del Sebsi ist 88 Jahre alt. Auch die lange diktatorische Vergangenheit kommt als politischer Lustkiller der Jugend in Frage. Wie lässt sich die Vergangenheit richtig aufarbeiten? Protagonisten des Films wie auch die Redner der Diskussion im „Roten Salon“ meinen schlussendlich: Wahlen dürfen nicht der letzte Schritt sein. Einen Zettel in eine Wahlurne zu werfen, schafft noch keine Demokratie.

Jörg Schulze

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