Wenn zwei sich streiten…? – G20 Gipfel Osaka
Christian Wessels lebt und arbeitet seit über 10 Jahren in Nigeria und wurde 2012 zum Young Global Leader (YGL) des Weltwirtschaftsforums ernannt. Er ist Mitglied der Young President Organization und Gründungsdirektor der European Business Organisation (EBO) in Nigeria, die dort die Interessen Europäischer Unternehmen vertritt. Aus seiner Sicht bieten die globalen Spannungen neue Chancen für Afrikas Wirtschaft. Seine Prognosen für den morgen beginnenden G20 Gipfel in Osaka, Japan:
„Wie schon beim 13. Gipfeltreffen im November/Dezember 2018 in Buenos Aires werden auch beim kommenden Gipfel der G20 in Osaka vor allem zwei Personen im Vordergrund stehen: US-Präsident Donald Trump und sein chinesischer Counterpart Xi Jinping. Seit Monaten schon hält das Gezerre der beiden Wirtschaftsnationen um vorteilhaftere Handelskonditionen an. Im Bemühen um den großen Deal werden die aufgefahrenen Geschütze immer schwerer und die damit verbundenen Verluste immer deutlicher: Im ersten Quartal 2019 brach das Handelsvolumen auf beiden Seiten ein: Chinas Exporte in die USA gingen um 14 Prozent zurück, die amerikanischen Exporte nach Fernost verloren gar 32 Prozent des Auftragsvolumens.
Wenn sich der Pulverdampf erst einmal verzogen hat, wird man feststellen, dass jenseits der lauten Misstöne bereits Verschiebungen stattgefunden haben, an denen man sehen kann, dass die Musik künftig vielleicht ganz woanders spielt. Während Donald Trump weiter an seinem Protektionismus festhält, könnte China den Abschluss von Freihandelsabkommen mit neuen Partnern forcieren. Hierfür bietet sich beispielsweise die Afrikanische kontinentale Freihandelszone (AfCFTA) an, die kürzlich von 24 afrikanischen Mitgliedsstaaten aus der Taufe gehoben wurde. Die Ende Mai 2019 in Addis Abeba vertraglich vereinbarte AfCFTA, die Anfang Juli in Kraft treten soll, bietet auch ausländischen Handelspartnern künftig größere Absatzmärkte, da Zölle und Vorschriften an vielen innerafrikanischen Grenzen wegfallen werden. Die weltweit größte Freihandelszone umfasst ein Gebiet, in dem mehr als 1,2 Milliarden Menschen leben.
Auch Europa, das ebenfalls vom US-Chinesischen Handelskrieg betroffen ist, richtet sein Augenmerk verstärkt auf Afrika. Die Europäische Union hat längst gemerkt, dass sich der Kontinent auf der anderen Seite des Mittelmeers vom einstigen Entwicklungshilfe-Empfänger zum Handelspartner und Investitionsstandort auf Augenhöhe entwickelt hat und strebt bereits ein Freihandelsabkommen mit Afrika an.
Die afrikanischen Staaten können nun zeigen, dass sie diese Chance, die sich durch weltpolitische Verwerfungen ergeben hat, auch langfristig zu nutzen wissen, indem sie sich als attraktiver Investitionsstandort und gleichwertiger Handelspartner präsentieren. Um dieses Ziel zu erreichen, muss noch viel Arbeit investiert werden. Der bereits eingeschlagene Weg ist richtig, aber die afrikanischen Regierungen müssen die Chance, die die USA und China ihnen bieten, zu nutzen wissen und dürfen nicht wieder in alte Muster zurückfallen.“
Christian Wessels, Gründer und Geschäftsführer des Africa Venture Builders Sunray Ventures in Lagos, Gründungsdirektor der European Business Organisation (EBO) in Nigeria und Young Global Leader (YGL) des Weltwirtschaftsforums