Wo sind die afrikanischen Helden?

Wo sind die afrikanischen Helden?

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Foto: Afrika Medien Zentrum

Vor über 20 Jahren kam André Ekama nach Deutschland, studierte zunächst Mathematik und Betriebswirtschaftslehre. Doch dem Schreiben sei er immer schon verfallen gewesen, gibt Ekama zu. So las er einige Passagen aus seinem Roman „Die Schätze von Obramkuza“.

Sein Kollege Dr. Moustapha Diallo, der im Senegal, in Deutschland, Österreich und Frankreich studierte und derzeit habilitiert, präsentierte den gespannten Zuhörern sein neustes Werk. Die „Visionäre Afrikas: Der Kontinent in ungewöhnlichen Portraits“ erzählt von den Großen des Kontinents, deren Schaffen öffentlich zuweilen eher stiefmütterlich behandelt wird. Für Diallo gehören die afrikanischen Figuren der Weltgeschichte, genau wie Ghandi aus Indien oder Guevara aus Südamerika, ins historische Rampenlicht. Und so liest er die wahre Geschichte der sagenumworbene Figur Sarraounia (Hausa für „Königin“), die im Niger des 19. Jahrhunderts den Widerstand gegen die französische Kolonialherrschaft anführte und lässt den Zuschauer eintauchen in eine neue und längst überfälligen Perspektive. Denn nicht der eurozentrische Blick der Franzosen auf die koloniale Besatzung des Reiches der Sarraounia steht im Mittelpunkt, sondern jener der „Königin“ und ihrer Zeitgenossen selbst.

Unter dem Anreiz des Themas „Visionäre Afrikas – Das Gegenteil der deutschen Stereotypen“ folgte auf Sarraounias spannende Geschichte in gemütlicher Wohnzimmeratmosphäre der afrikanischen Bibliothek des Afrika Medien Zentrums eine kleine Podiumsdiskussion, moderiert von Portia Tarumbwa-Strid. Das Publikum löcherte die Autoren mit Fragen, die diese bereitwillig, ausführlich und spannend zu beantworten wussten.

André Ekama, ehemaliges Mitglied des Migrationsbeirats in Mannheim, beschäftigt sich in seinen Büchern vor allem mit den verschiedenen Formen des interkulturellen Austauschs. Sein Roman „Die Schätze von Obramkuza“ lässt die Protagonistin Akila nach einiger Zeit im europäischen Ausland wieder in ihre Heimat zurückkehren – ein ölreiches Land. Armut trotz Ressourcenreichtum erschrickt und schockiert Akila auf ihrer Reise besonders. Die Rückkehr verursacht ein Gefühl des Fremd-Seins im eigenen Land. Dieses Gefühlt kennt Ekama auch persönlich, berichtet er im Anschluss an seine Lesung. Auch für ihn sei es äußerst schwierig wieder zu seinen Verwandten nach Kamerun zurückzukehren, von denen man nur selten nach langer Abwesenheit noch als vollwertiges Mitglied der Familie akzeptiert wird.

Dr. Diallos Werk macht erschreckend deutlich, wie wenig wir eigentlich über afrikanische Helden wissen. Die zahlreichen Versuche des Widerstands gegen die Kolonialherrschaften haben in der komplexen deutschen und auch europäischen Geschichtsschreibung keinen Platz gefunden. Dieser Missstand ist neben Diallo auch einem Teilnehmer der Diskussion bereits aufgefallen. In einer zuletzt besuchten Ausstellung über Helden sei kein einziger afrikanischer Charakter vorgestellt worden, berichtet er, obwohl die Ausstellung international ausgerichtet gewesen sei. Das Publikum an diesem Abend war sich allerdings einig: Afrikas Geschichte ist voller Helden! Sarraounia war nur eine von ihnen!

Bei original-kamerunischen Köstlichkeiten und weiteren intensiven Gesprächen ließen die Besucher und Zuhörer den Abend unter Anwesenheit der Autoren ruhig ausklingen. Denn bereits am nächsten Tag, am Samstag, sollte man selbst zum Schriftsteller werden! Ebenfalls in den Räumen des Afrika Medien Zentrums gab Autorin Stefanie-Lahya Aukongo in einem interaktiven Workshop Tipps und Tricks rund um das Thema Creative Writing. Sie vermittelte verschiedene Techniken des lyrischen Schreibens, die die Anwesenden anschließend in ersten Schreibversuchen direkt umzusetzen versuchten. Gemeinsam entstanden unter anderem zwei Gedichte, die seit Montag in den Räumen des afrikanischen Leseräumen des Afrika Medien Zentrums ausgestellt werden.

Im Anschluss lud das Afrika Medien Zentrum zur Filmvorführung des Kurzstreifens „Bintou“, der das Leben einer eigensinnigen, aber tüchtigen Frau in Burkina Faso erzählte und der das Publikum vor Lachen die Tränen in die Augen trieb.

Wer den Auftakt der Reihe Afrika liest, Berlin hört zu verpasst hat, muss allerdings nicht traurig sein. Bis Ende des Jahres werden noch einige Veranstaltungen dieser Art stattfinden. Rund um das Thema Afrika wird das Afrika Medien Zentrum etwa alle drei Wochen zu Lesungen, Filmvorführungen, Podiumsdiskussionen und Workshops einladen. Ein ausführliches Programm wird in Kürze erscheinen. Mehr Informationen zu dem Projekt finden Sie auf den Seiten des Afrika Medien Zentrums (www.amz-berlin.de oder facebook.com/afrika-medien-zentrum-ev). Für die Teilnahme an den Veranstaltungen ist keine Anmeldung erforderlich und auch der Eintritt ist frei.

Wir freuen uns bereits auf den nächsten großartigen Abend!

Sarah Hammerl und Janie Steinke

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