Der neue Koalitionsvertrag und was er für die Flüchtlinge und Asylsuchende bedeutet
Der neue Koalitionsvertrag ist beschlossene Sache. Am 27. November wurde er von den Chefs der Union und der SPD unterzeichnet. Doch bringt er auch Verbesserungen für die Lage der Flüchtlinge und Asylbewerber aus Afrika und anderen Teilen der Welt?
Positiv ist anzumerken, dass für ein dauerhaftes Bleiberecht ein fester Arbeitsplatz genügt. Doch wurde dies schon im März 2013 beschlossen und ist daher nichts prinzipiell Neues. Um in Deutschland ein Recht auf Arbeit zu haben, mussten die Asylbewerber bislang neun Monate warten. Mit dem neuen Koalitionsvertrag ist das Arbeitsverbot auf drei Monate reduziert worden. Was zunächst positiv anmutet, entpuppt sich beim zweiten Blick als schöner Schein: Noch immer werden Flüchtlinge und Asylsuchende bei ihrer Suche nach einer festen Arbeit gegenüber Deutschen und anderen EU-Bürgern benachteiligt. Grund dafür ist eine gesetzliche Regelung, die die Nachrangigkeit von Jobgesuchen Asylsuchender vorsieht und die erst nach vierjährigem Aufenthalt in Deutschland erlischt.
Doch auch im Fall der Arbeitslosigkeit muss für die Asylsuchenden und Flüchtlinge gesorgt sein. Die Bezüge nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind allerdings um ein Drittel niedriger als das Arbeitslosengeld II, obwohl die Verbraucherpreise in den letzten Jahren merklich gestiegen sind. Auch was die medizinische Versorgung anbelangt, gibt es noch immer Nachbesserungsbedarf. Asylsuchende und Flüchtlinge werden erst behandelt, wenn ein akuter Krankheitsfall und ein Krankenschein vorliegt, der beim Sozialamt beantragt werden muss.
Einzigartig in Europa und sehr umstritten ist die Residenzpflicht. Diese wird im neuen Koaltitionsvertrag nicht abgeschafft, sondern lediglich aufgeweicht. Bisher durften Asylsuchende nur innerhalb eines bestimmten Bezirks verbleiben. Nun ist ihr Bewegungsradius immerhin auf das entsprechende Bundesland, in das sie geschickt wurden (!), ausgeweitet worden. Doch in vielen Einzelfällen erweitert sich der Bewegungsradius dadurch nicht oder kaum. Als ein Zugeständnis an die Bewegungsfreiheit, die für EU-Bürger selbstverständlich ist, dürfen sich Flüchtlinge jetzt eine Woche lang außerhalb ihres Bundeslandes aufhalten. Sie benötigen dafür nicht mehr einen formellen Antrag, sondern nur noch eine Mittelung an die zuständige Behörde.
Findet der Asylbewerber in einem anderen Bundesland einen Studien- oder Ausbildungsplatz oder gar eine Festanstellung, ist ihm oder ihr erlaubt dort hinzuziehen. Ausnahmen für diese Regelung bilden hingegen laut Koalitionsvertrag „Straftäter[…] und Personen, bei denen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz bekannt geworden sind oder bei denen aufenthaltsbeendende Maßnahmen konkret bevorstehen“. Dass die Verhinderung der Einwanderung von Straftätern ein berechtigtes Anliegen ist, steht außer Frage. Doch bis zur völligen Bewegungsfreiheit für unbestrafte Asylsuchende und Flüchtlinge bleibt es noch ein weiter Weg.
Der neue Koalitionsvertrag bringt allerdings auch einige kleine Fortschritte. So wird das Mündigkeitsalter von Asylsuchenden von 16 auf 18 Jahre heraufgesetzt, wodurch Minderjährigen Schutz und Aufnahme gewährt werden muss. Auch soll der Nachzug von engen Familienangehörigen erleichtert werden. Der neue Koalitionsvertrag sieht außerdem einen Ausbau des Angebots verpflichtender Deutschkurse und das Recht auf eine doppelte Staatsbürgerschaft vor. Dass allerdings vielen Immigranten die Teilnahme an Deutschkursen verweigert wird, da sie angeblich keine gültigen Dokumente hätten, ist ein offenes Geheimnis. Und gerade über die doppelte Staatsbürgerschaft wurde in der Koalition bis zuletzt erbittert gerungen. Die SPD-Fraktion setzte sich dabei gegenüber der CDU/CSU-Fraktion durch.
Zum Schluss ist noch die Verkürzung der Bearbeitungszeit der Asylanträge von neun auf drei Monate zu erwähnen. Diese Drittelung der Bearbeitungszeit kann zwar dazu führen, dass in einer bestimmten Zeit mehr Anträge bearbeitet werden können, birgt aber auch die Gefahr ungründlicher Schnellverfahren. Folge wäre, dass das Asylgesuch nur sehr oberflächlich behandelt und die Flüchtlinge vermehrt in ihre Herkunftsländer abgeschoben würden.
Im Großen und Ganzen löst der neue Koalitionvertrag die Probleme der Asylsuchenden nur unzureichend, da weder die Nachrangigkeit bei der Jobsuche noch die Residenzpflicht abgeschafft wurden. Auch die angemessene Ausgestaltung der Sachleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bleibt noch ein Desiderat.
René Czeszinski