Ein Senegalese für den Bundestag
"Vielfalt schafft Werte", so lautet das Motto des 50-jährigen Karamba Diaby. Seit 16 Jahren arbeitet er vor allem in der Migrationspolitik, leitete unter anderem von 2009 bis 2011 das EU-Projekt "Empowerment von MigrantInnen zum nachhaltigen Gelingen der Integration und zur Förderung Interkulturellen Dialogs". Nun ist der promovierte Chemiker und Geoökologe als Kandidat der SPD im Wahlkreis 72 (Halle, Kabelsketal, Landsberg und Petersberg) für die Bundestagswahl 2013 nominiert worden.
Bereits Ende 2010 hatte Lo'Nam mit dem Politiker gesprochen. Hier das Interview:
Afrikaner in deutscher Integrationsdebatte unsichtbar?
Am 3. November 2010 lud die Bundeskanzlerin zum vierten Integrationsgipfel ins Bundeskanzleramt. Beteiligte aus Bund, Ländern und Kommunen, Verbänden und private Akteure brachten den Nationalen Aktionsplan auf den Weg. Er soll messbare Zielvorgaben für eine verbindliche Integrationspolitik enthalten, zumindest in der Theorie…
Bereits seit dem Jahr 2006 findet jährlich der nationale Integrationsgipfel statt. Auch in diesem Jahr fanden sich insgesamt 120-Gipfel-Teilnehmer im Bundeskanzleramt ein. Die Teilnehmerliste ist jedoch alles andere als beeindruckend und für einen Fortschritt in der deutschen Integrationspolitik wenig geeignet. Offiziell bekleiden die meisten Teilnehmer einen öffentlichen, staatlichen Ministerposten. Zudem scheint die Debatte nun in einen Meinungsaustausch zwischen türkisch-stämmigen Menschen und deutschen Ministern abzugleiten. Nur wenige der 120 Teilnehmer haben ihre familiären Wurzeln in einer anderen Weltregion. Insgesamt fünf Repräsentanten für AfrikanerInnen in Deutschland waren während des Gipfels anwesend, so z.B. Virginia Wangare-Greiner von der „Maisha“-Selbsthilfegruppe Afrikanischer Frauen e.V. oder Dr. Karamba Diaby (Vorsitzender des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates).
Neben wenigen Repräsentanten afrikanischer Herkunft waren auch Teilnehmer aus Russland, Asien oder anderen europäischen Staaten nur unzureichend vertreten. Daher stellt sich dem aufmerksamen Beobachter doch die Frage wer hier mit wem debattiert und zu welchen Zielen man eigentlich gelangen möchte? Geht es darum, Menschen mit türkischem oder muslimischen Familienhintergrund in die deutsche Gesellschaft zu integrieren? Sollte ein migrierter Australier, Ghanaer oder Japaner nicht ebenfalls die Möglichkeit bekommen, aktiv an seinem neuen Lebensumfeld mit zu arbeiten und hierfür Aktionspläne zu erarbeiten? Laut Medienberichten sind die Interessenvertreter der Migranten auf dem Gipfel jedoch kaum zu Wort gekommen. Vielmehr berichteten Deutsche über ihre Erfahrungen mit Migranten und das Wort wurde überwiegend den Ministern von Bund und Ländern erteilt.
Die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen ist schwierig. Nicht zuletzt deswegen handelt es sich um eine Debatte mit unterschiedlichsten Ansichten. Dennoch gelang es der LoNam-Redaktion einige ausgewählte Fragen an den Gipfel-Teilnehmer Dr. Karamba Diaby, den Vorsitzenden des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates, zu stellen und seine Ansichten zur Integrationsdebatte zu erfahren.
Dr. Diaby, Sie sind Vorsitzender des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates: Können Sie uns kurz Ihr berufliches Tätigkeitsfeld beschreiben? Was bedeutet in diesem Sinne Integration für Sie und inwiefern stimmt diese Definition mit ihrer Arbeit überein?
Gegenwärtig bin ich Leiter des EU-Projektes „EFI“ (Empowerment von MigrantInnen zum nachhaltigen Gelingen der Integration und zur Förderung des Interkulturellen Dialogs) bei der Jugendwerkstatt „Frohe Zukunft“ Halle Saalekreis e.V. EFI engagiert sich für die Organisation und Durchführung von Qualifizierungsangeboten und für die Beratung für Migrantenorganisationen in Sachsen-Anhalt.
Ich verstehe Integration als Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund in den Bereichen Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, Soziales u.a. Eine bessere und wirkungsvollere Teilhabe kann jedoch nur erreicht werden, wenn die Organisationen und Interessenvertretungen der MigrantInnen Mitspracherechte in den gesellschaftspolitischen Gremien auf allen Ebenen (wie z.B. in den Ausschüssen und Kommissionen auf kommunaler und Landesebene) bekommen würden. Deshalb ist es wichtig, Migrantenorganisationen zu stärken und ihre Beteiligung zu fördern. Dazu gehört die Unterstützung ihrer Qualifizierung und Professionalisierung.
Können Sie sich erklären, warum der nationale Integrationsgipfel überwiegend Teilnehmer aus den Bereichen der staatlichen Ministerien aufweist und die Interessen der Migranten überwiegend durch Vertreter türkischer/ muslimischer Herkunft/Familienhintergrund repräsentiert werden? Warum sind Afrikaner, andere Europäer oder Asiaten in dieser Debatte so wenig präsent?
Ich denke, dass der Integrationsgipfel der Bundesregierung in seinem jetzigen Format nur Symbolcharakter hat. Im ersten Teil des Gipfels konnten sich die 35 eingeladenen Migrantenorganisationen mit der Kanzlerin, den MinisterInnen Frau Prof. Böhmer und Herrn De Maiziere in einer knappen Stunde über aktuelle Fragen der Integration in Deutschland ohne Anwesenheit der Presse austauschen. Im zweiten Teil waren überwiegend TeilnehmerInnen aus den Bereichen der staatlichen Ministerien, der Migrantenorganisationen u. a. zum Gespräch zusammen gekommen.
Afrikanische Verbände sind in der Tat sehr wenig mit einbezogen. Ich denke, dafür gibt es verschiedene Gründe. Im Bereich Integrationsarbeit existieren offensichtlich weniger bundesweit tätige Organisationen von Menschen von unserem Kontinent als türkische und spanische Communities. Auch in den Bundesversammlungen der Ausländer- und Integrationsbeiräte treten verhältnismäßig wenig Menschen afrikanischer Herkunft in Erscheinung. Der zweite Grund ist aus meiner Sicht, dass die afrikanische Diaspora in Deutschland immer noch keine große Lobby besitzt.
Was können Menschen afrikanischer Herkunft, die nach Deutschland migrieren, Ihrer Ansicht nach, zu einer gelungenen Integrationsdebatte beitragen?
Ich würde es begrüßen, wenn mehr Menschen afrikanischer Herkunft sich in den kommunalen Beiräten engagieren würden. Außerdem ist es dringend notwendig, dass Dachverbände von Menschen afrikanischer Herkunft sich zusammenschließen, um einen Bundesverband zu gründen und somit eine bundesweite Austauschplattform zu Fragen der Integration schaffen. Nur so können wir uns Gehör verschaffen.
Das Interview führte Stefanie Schams