Eklat bei Übergabezeremonie der namibischen Gebeine
Versammelt sind die namibische Delegation, Journalisten und das öffentliche Publikum größtenteils bestehend aus Botschaftern oder Organisationsmitgliedern. Die namibische Flagge und zwei der 20 Opfergebeine in ihren Glasvitrinen dekorieren den Raum. Eine deutsche Flagge ist nirgends zu sehen, was später von Seiten der namibischen Delegation kritisiert wird. Denn nicht nur, dass die Zeremonie in einem Hörsaal eines Krankenhauses stattfindet, auch die Abwesenheit einer deutschen Flagge zeigte Namibia das deutsche Desinteresse an ihrer Angelegenheit.
Auffallend hingegen sind sofort die bunten Hüte, die rot und weiß aus den vorderen Reihen herausragten. Die namibische Delegation kam traditionell gekleidet; die Männer tragen bunte Uniformen, die Frauen bunte Kleider. An den Rändern stehen verschiedene zivilgesellschafliche Organisationen und engagierte Menschen, weiße Papierplakate in den Händen mit den Aufschriften: „Entschuldigung sofort“ ,,Apologize now“ oder „Reparationszahlungen.“
Die Stimmung ist von Anfang an angespannt. Berichten zu Folge hatte der namibische Minister für auswärtige Angelegenheiten kurz vor der Zeremonie die Unterschrift einer Versöhnungserklärung zur Übergabe der Gebeine verweigert und eine Vertreterin des namibischen Rates für Nationales Erbe unterzeichnen lassen. Grund dafür war, dass kein gleichrangiger Vertreter der Bundesregierung, sondern der Vorstandsvorsitzendene der Berliner Charité Karl Max Einhäupl das Dokument auf deutscher Seite unterschrieb. "Solche Dinge müssen auf Augenhöhe geschehen", sagte Katuutire Kaura, Mitglied des namibischen Parlaments.
Nach Einhäupls Begrüßungsrede folgt eine Schweigeminute, dann übergibt man das Wort an die Ministerin im Auswärtigen Amt Cornelia Pieper. Pieper wählt ihre Worte sehr bedacht, weder die Anerkennung eines Genozids noch eine Entschuldigung sind Inhalt ihrer Rede. Von „Versöhnung“ spricht sie und von „Augenhöhe“. Das afrikanische Publikum ist aufgeladen und protestiert mit Rufen wie „Genozid“ und „Entschuldigung. Wo ist Entschuldigung?“ „Nicht Versöhnung.“ „Ihr habt unser Volk getötet.“
Pieper versucht die Unterbrechungen zu ignorieren und spricht weiter. „Die namibischen und die deutschen Bürger haben zueinander gefunden“, sagte sie. Eine Antwort aus dem Publikum: „This is not true“ („Das ist nicht wahr“). Das deutsche Publikum ist beschämt über die Rede der Ministerin. Mit, wie sie selbst sagt, „versöhnenden“ Worten beendet Pieper ihre Rede. Sie verlässt sofort den Raum, so stark sind die Proteste und Buhrufe, ohne Abschied, ohne die folgenden Reden der namibischen Minister und der traditionellen Führer der Hereo und Nama zuhören. Ein Eklat, der alles andere als versöhnend ist.
Der namibische Kulturmister Kazenambo Kazenambo zeigt sich sichtlich enttäuscht über die Ansprache seiner Vorrednerin, betonte dennoch weiterhin „Namibias Versöhnungpolitik in Ehren zu halten“, dabei jedoch nie zu vergessen „was unseren Menschen während der deutschen Kolonialherrschaft über Namibia angetan wurde.“
Am Montag reiste die ungefähr 60-köpfige namibische Delegation wieder zurück nach Namibia. Doch abgesehen von der Rückführung der Gebeine, war der Aufenthalt in Berlin alles andere als erfolgreich. Die Teilnahmslosigkeit der deutschen Regierung wurde nicht nur mit Enttäuschung aufgenommen, sondern sogar als zu tiefst beleidigend verstanden. Die immer wieder besonderes betonte Beziehung zwischen Deutschland und Namibia wird hier auf eine Probe gestellt.