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Wir schauen rund 50 Jahre zurück: Es ist der 21. März 1960 in Sharpeville, Südafrika: An verschiedenen Orten der kleinen Stadt südlich von Johannesburg finden sich rund 20.000 Menschen zusammen. Sie folgen einem Aufruf des Pan African Congress (PAC), der eine fünftägige friedliche Protestaktion angekündigt hatte. Die Menschen demonstrieren gegen die Passgesetze des Apartheid-Regimes, welche die strikte Trennung von Wohn- und Geschäftsbezirken für Weiße, Schwarze und Inder vorsah. Drei bis vier Millionen schwarze Südafrikaner wurden in sogenannte „Townships“ am Rande der Stadt zwangsumgesiedelt, weil sie in den für die Weißen vorgesehenen Gebieten lebten. Für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes benötigte man jedoch die schwarzen Arbeitskräfte. Daher regelten Passgesetze das „Aufenthaltsrecht“. So sollte die Anzahl der Schwarzen in den Städten auf ein Minimum reduziert werden, ihre Arbeitskraft aber dennoch zur Verfügung stehen.

Die Demonstrierenden setzen sich schließlich in Bewegung – die Polizei hält die friedliche Menge mit Tränengas und Tieffliegern in Schach. Plötzlich eskaliert die Situation angeblich als Reaktion auf Steinewerfer: Die Polizei schießt in die Menge. 69 Menschen sterben. Bis zu 300 Personen werden zum Teil schwer verletzt.                                                                                                                                                               

Sechs Jahre später wird der 21. März als Gedenktag an das Massaker von Sharpeville von den Vereinten Nationen als „Internationaler Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung“ aufgerufen. Rassistische Diskriminierung und Apartheid, so heißt es in der Resolution, seien eine Verleugnung der Menschenrechte, fundamentaler Freiheiten und Gerechtigkeit sowie ein Vergehen an der Menschenwürde. Seit 1979 findet eine weltweite alljährliche Aktionswoche der Solidarität mit den Gegner und Opfern von Rassismus statt, genannt UN-Woche gegen Rassismus.                                                                                   

In Deutschland gibt es in diesem Jahr so viele Veranstaltungen wie nie zuvor: Der Veranstaltungskalender des Interkulturellen Rates listet über 1.300 Programmpunkte. Der interkulturelle Rat koordiniert seit 1994 die Internationale Woche gegen Rassismus. 2008 wurde der Aktionszeitraum wegen der Vielzahl der Aktivitäten auf zwei Wochen ausgeweitet. Besonders aktiv sind Schulen, Sportvereine, Kommunen, Gewerkschaften, Kirchengemeinden, Bürgerinitiativen, Theater und Volkshochschulen. Gerade angesichts der rassistisch motivierten Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) „ist vielen Menschen bewusst geworden, dass Rassismus tötet. Sie wollen etwas dagegen tun“, sagte Jürgen Mickzsch, Vorsitzender des Interkulturellen Rates. Denn noch immer haben Juden, Roma, Muslime, Schwarze Menschen und Flüchtlinge mit Vorurteilen zu kämpfen – ein gefährlicher Nährboden für den gewaltbereiten Rechtsextremismus. 

In der Kreuzberger Adalbertstraße steigen daher um 11:55 Uhr schwarze Luftballons in den Berliner Himmel. „Berlin gegen Rassismus“ prangt in gelber Druckschrift auf ihnen. Dies war nur eine der Aktionen, zu denen der Türkische Bund unter dem Motto „5 vor 12“ aufgerufen hat. Etwa 40 Berlinerinnen und Berliner beteiligten sich daran.

Ein gutes Motto – denn weltweit werden Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe oder Herkunft verfolgt, aufgrund ihrer Kultur benachteiligt, diskriminiert wegen des eigenen Glaubens: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit sind ein drängendes Problem. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates erstellt regelmäßig Berichte über Rassismus in den europäischen Ländern. Dabei zeigt sich speziell in den südost- und osteuropäischen Staaten ein eklatanter Anstieg rassistischer Einstellungen und Gewalttaten. Auch institutionelle Diskriminierungen vor allem von Roma geraten regelmäßig in die Schlagzeilen. Der dritte ECRI-Bericht bescheinigt Deutschland Fortschritte in mehreren Bereichen, aber auch Nachholbedarf. Positiv seien speziell der Nationale Integrationsplan der Bundesregierung, die Gründung der deutschen Islamkonferenz und Maßnahmen gegen Ausgrenzung und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt im Rahmen des Programms „XENOS – Integration und Vielfalt“. Sorge bereitet jedoch die Gewaltbereitschaft der rechtsextremen Szene. Im ersten Halbjahr 2012 wurden der Polizei insgesamt 8.096 rechtsextreme Straftaten angezeigt. Darunter waren 354 Gewalttaten. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Nach einem vorübergehenden Rückgang steigt die Zahl rechtsextremer Straftaten seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrzehnts wieder. Die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremer wird auf rund 9.500 Personen geschätzt.

Der erste Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“ – eine Farce?

Nun, Rassismus bezeichnet die Ideologie, Menschen in angeblich biologisch-definierte „Rassen“ einzuteilen und diese in einer Hierarchie anzuordnen. Diejenigen, die die hegemoniale Macht innehaben, können diese Hierarchie bestimmen. Somit kann Rassismus jeden Menschen unabhängig von seiner Herkunft betreffen. Die Folgen von Rassismus sind uns allen bekannt: Sie reichen von Vorurteilen und Diskriminierung über Rassentrennung, Sklaverei und Pogrome bis hin zu sogenannten „Ethnischen Säuberungen“ und Völkermord.

So schön der erste Artikel der Menschenrechte auch klingt, Rassismus war und ist auch heute noch ein ständiger Begleiter innerhalb unserer Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, dass es Gedenktage wie den Internationalen Tag gegen Rassismus gibt, die sich diesem Problem annehmen und eine gerechtere und menschenfreundlichere Welt fordern.                                                                                           

Fabian Kiessling

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