Farbe bekennen
Bei Unicode gibt es bald Emoticons mit unterschiedlicher Hautfarbe. Ein Schritt in Richtung Political Correctness oder unnötige Formalität?
Farbe bekennen – bald kann man das auch beim Schreiben von SMS und E-Mails. Viele Menschen nutzen täglich die sogenannten Emoticons, von denen der klassische Smiley wohl der Bekannteste ist. Diese stilisierten Gesichter, die Emotionen und Gefühle ausdrücken sollen, kommen ursprünglich aus Japan und sind bisher einheitlich gelb. Dies soll sich bald ändern. Dazu hat das Unicode Consortium am 4.November 2014 einen Entwurf herausgegeben über die Änderungen, die etwa Mitte 2015 mit der neuen Unicode Version 8.0 in Kraft treten könnten.
Sie nehmen damit Bezug auf das ihrer Meinung nach vermehrte Interesse an Emoticons, die mehr menschliche Diversität – wie verschiedene Hautfarben – widerspiegeln. Nach Diskussionen und Petitionen, die mehr Vielfalt bei der Auswahl der Emoticons forderten, hat Unicode nun reagiert. Deshalb gibt es nach den Entwürfen bald sechs verschiedene farbliche Abstufungen der Gesichtsfarben der Emoticons, die sich an der sogenannten Fitzpatrick-Skala aus der Dermatologie orientieren.
Es lässt sich darüber streiten, ob das ein Schritt in Richtung einer integrativen und offenen Weltgemeinschaft ist oder eine formale Änderung, die an den realen zwischenmenschlichen Divergenzen vorbeigeht. Immer mehr Bereiche des Lebens werden an die vielfältige Zusammensetzung der Gesellschaft angepasst, um möglichst vielen Nuancen des menschlichen Zusammenlebens Rechnung zu tragen. Diesen Anspruch verfolgt auch die Neuerung bei Unicode. Jetzt kann jede_r seiner oder ihrer Hautfarbe entsprechend seinen und ihren Emotionen Ausdruck verleihen. Aber wirklich jede_r? Wird sich jeder Mensch einer der sechs Kategorien zugehörig fühlen und kann eine Einteilung in sechs Farben wirklich der menschlichen Vielfalt gerecht werden? Und wollen wir uns überhaupt einer dieser Kategorien zuordnen? Welche Rolle spielt die Hautfarbe, wenn es eigentlich um Emotionen geht, die mit den Emoticons ausgedrückt werden sollen? Von den Entwickler_innen war wohl eine Sensibilisierung beabsichtigt, die einem die Vielfältigkeit der Menschen bewusst macht. Aber trägt die dunklere oder hellere Hautfarbe des digitalen Emotionen-Stellvertreters wirklich dazu bei oder führt sie zu einer erneuten Stigmatisierung? Als Reaktion auf die Nachricht werden auf Internetplattformen bereits Befürchtungen laut, dass die farblich abgestuften Emoticons auch missbräuchlich verwendet werden könnten.
Wie wäre es also mit der Gesichtsfarbe blau? Dann stünden wieder die Emotionen im Vordergrund, denen mit den digitalen Gesichtern Ausdruck verliehen werden soll, und nicht die Hautfarbe der gut oder auch schlecht gelaunten Fratzen.
Sophie de Maizière