Für den Machtkampf benutzte Frauen sollen eine Entschuldigung bekommen
Sexualität ist im konservativ-islamischen Staat Libyen ein Tabuthema. Vergewaltigung gleicht einer Schande. Die Frauen werden oft von der Gesellschaft ausgegrenzt und erleiden unfassbare Demütigung. Zum Einen durch die Tat selbst und anschließend durch die Isolation, in der sie leben müssen. Sie werden von der Gesellschaft für etwas bestraft, das ihnen mit großer Gewalt zugefügt wurde und ihr Leben für immer beschatten wird.
Während der Auflehnungen gegen das ehemalige Regime wurden hunderte Frauen von Soldaten vergewaltigt. ‚Ziel‘ war es, die Rebellen in ihrem schwächsten Punkt zu treffen. Viele wurden daraufhin von ihren Männern verlassen.
„Manche Opfer können nicht zur Schule gehen… sie leiden im Stillen“, sagt Salah al-Marghani, Justizminister Libyens. Er befürchtet außerdem, dass die unterschwellig bestehenden Konflikte die Gesellschaft spalten und Aussöhnungsversuche behindern könnten.
Deshalb schlug jetzt das lybische Kabinett eine Gleichstellung der Vergewaltigungsopfer mit verwundeten Ex-Soldaten vor. Damit werden sie als Kriegsgeschädigte anerkannt und ihnen steht das gleiche Entschädigungsprogramm zu. Dieses Programm besteht unter anderem aus finanzieller Unterstützung, physischer und psychischer Betreuung. Ob diese Hilfe die seelischen Wunden der Frauen heilen würde, kann man nicht sagen. Was sie aber definitiv bekommen, ist Anerkennung von der Regierung und somit hoffentlich auch in der Gesellschaft. Es wäre ein wichtiger Schritt der Regierung zu einem fairen Rechtssystem, in dem das Vergehen an einer Frau als das angesehen wird, was es ist: ein grauenvolles Verbrechen.
Heute, 3 Jahre nach den Geschehnissen, soll eine verfassungsgebende Institution mit 60 Mitgliedern gewählt werden. Seit der Revolution sieht sich Libyen mit vielseitigen Problemen konfrontiert. Die Sicherheitslage verschlechtert sich und eine Zersplitterung hat den politischen Prozess bisher immer wieder aufgehalten. Die Wahlbeteiligung wird viel niedriger eingeschätzt als bei der Wahl der Übergangsregierung nach Sturz Muammar al-Gaddafis.
Kyra Hertel