Über 13.600 Einzelklagen gegen Shell

Über 13.600 Einzelklagen gegen Shell

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Aufgrund der starken Ölverschmutzung in der Region von Ogale und Bille sind bereits Menschen ums Leben gekommen. © Friends of the Earth International, Flickr.com
Aufgrund der starken Ölverschmutzung in der Region von Ogale und Bille sind bereits Menschen ums Leben gekommen. © Friends of the Earth International, Flickr.com

Schon 2016 präsentierte König Okpabi Plastikflaschen voll ölverschmutztem Wasser vor dem High Court in London. Die Gemeinden Ogale und Bille im Nigerdelta führen seit sieben Jahren einen Prozess gegen den Ölriesen Shell. Sie klagen gegen die verheerende Ölverschmutzung in ihrer Heimat. Der Konzern reagierte bisher mit Einspruch. Mehr als 13.600 Einzelklagen von Einwohner*innen der Gemeinden im nigerianischen Bundesstaat Rivers sollen das Gerichtsverfahren nun vorantreiben.

Expert*innen schätzen, dass die Bewohner*innen des Nigerdeltas in den letzten 50 Jahren jedes Jahr Ölverschmutzungen in der Größenordnung der Exxon Valdez-Katastrophe von 1989 in Alaska erlebt haben. Die Gemeinden Ogale und Bille wehren sich dagegen vor Gericht. Mit der Einreichung einer Sammelklage in London, kamen die Gemeinden in Ogale und Bille im Rechtsstreit gegen die Royal Dutch Shell Plc am 27. Januar im Prozess Okpabi v Shell einen bedeutenden Schritt voran. In dem Prozess hatte Shell zuletzt behauptet, rechtlich nicht für die Folgen von Öllecks in den Pipelines verantwortlich zu sein.

Die Klage am High Court besteht aus 13.652 Einzelklagen von Personen aus Bille und Ogale. Dazu kommen insitutionelle Kläger*innen aus beiden Gemeinden. Anhand von Einzelklagen kann der Schaden, den die Bevölkerung erleidet, vor Gericht detaillierter vorgebracht werden. Die Kläger*innen fordern von Shell eine Entschädigung sowie Sanierungsmaßnahmen in ihrer Region.

„Wenn man kein Geld hat, kann man kein Wasser trinken. Es ist, als würden wir in einer Wüste leben, obwohl wir von Wasser umgeben leben.“

Chief Bennett Dokubo

Das Notfallsystem für sauberes Wasser in Ogale funktioniert seit fünf Jahren nicht mehr. Selbst das Grundwasser ist in der Region stark verschmutzt. Das Oberhaupt von Ogale, König Emere Godwin Bebe Okpabi berichtete dem Investigativ-Portal The Intercept, dass in seiner Gemeinde aufgrund der Ölverschmutzung Menschen sterben. Er flog 2016 mit Plastikflaschen voll verunreinigtem Wasser aus Ogale zu einer gerichtlichen Anhörung nach London.

Chief Bennett Dokubo, eine Führungspersönlichkeit in Bille, beschrieb die Situation seiner Gemeinde gegenüber The Intercept: „Wenn man kein Geld hat, kann man kein Wasser trinken. Es ist, als würden wir in einer Wüste leben, obwohl wir von Wasser umgeben leben“ [Übers. der Redaktion]. In Bille gibt es nur noch Trinkwasser, das in Plastikflaschen gekauft werden muss. Da fast alle Fische und Schalentiere in der Region vergiftet wurden, haben die Fischer von Bille keine Nahrungs- und Einkommensquelle mehr.

Der nächste Schritt im Gerichtsverfahren wird eine Anhörung im Frühjahr 2023 sein. Die Hauptverhandlung wird voraussichtlich 2024 stattfinden. Leigh Day, die britische Anwaltskanzlei der beiden Gemeinden, veröffentlichte Informationen zum bisherigen Verlauf des Gerichtsverfahrens. Im Jahr 2015 erwirkte die Kanzlei eine Entschädigung von 55 Millionen Pfund, welche Shell an die Gemeinde Bodo im Nigerdelta entrichten musste.

Im Jahr 2011 belegte das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) die schwere Ölverschmutzung im Nigerdelta nach 14-monatiger Forschung im Ogoniland mit einer Studie. Das UNEP empfahl dringende Säuberungsmaßnahmen, welche 30 Jahre in Anspruch nehmen würden. Doch auch zwölf Jahre später sind die Gemeinden noch immer verschmutzt, obwohl Proteste in der Region des Nigerdeltas eine lange Tradition haben.

Lina Noll