Völkermord-Prozess in Frankfurt – Urteil gefällt
Der Völkermord in Ruanda zählt zu den verheerendsten Verbrechen des vergangenen Jahrhunderts – 800.000 ermordete Tutsi in drei Monaten – und beschäftigt seit drei Jahren auch die deutsche Justiz.
Erstmals wurde nun in Deutschland ein Urteil zum Völkermord in Ruanda gefällt. Dem Bürgermeister Onesphore Rwabukombe, der seit 2002 in Deutschland lebt, wurde vorgeworfen, vor 20 Jahren ein Massaker befohlen zu haben, bei dem Hutu-Milizen in eine Kirche stürmten und bis zu 1.200 Menschen der Tutsi-Minderheit töteten. Diese wurden laut Zeugenaussagen mit Pfeilen, Gewehren und Granaten mitleidslos abgeschlachtet.
Die Hutu-Kämpfer ließen einige der damals Anwesenden am Leben, um sie zur Entsorgung der Leichen zu gebrauchen. Das Urteil stützt sich nun größtenteils auf die Zeugenaussagen der Überlebenden. So berichtete Angelique K.: „Drei Tage lang habe ich mich mit meiner Familie und Freunden in der Kirche versteckt. Dann sind die Interahamwe-Milizen gekommen, um uns zu töten.“
Das Verfahren jedoch barg viele Komplikationen, welche sich aufgrund der Distanz ergaben. So war es oft schwierig Zeugen und Gericht zusammen zu bringen, da viele der Opfer in Ruanda in Haft sitzen und somit nicht einreisen konnten. Sie wurden dann per Videokonferenz zugeschaltet und befragt.
Rwabukombes Anwältin, Natalie von Wistinghausen, kritisierte jedoch stark, dass die Zeugenaussagen oft emotional überlagert und widersprüchlich seien. So wurden z.B. acht der Zeugen bereits vor Jahren zu diesem Massaker befragt, wobei der Name des Angeklagten nicht von ihnen genannt wurde. Sie und ihre Kollegen forderten daher einen Freispruch.
Auch Onesphore Rwabuko beteuerte seine Unschuld: „Ich habe diese Verbrechen nicht begangen“, sagte der 56-Jährige.
Das Oberlandgericht verurteilte Onesphore R. zu 14 Jahren Haft, aber nicht wegen Mittäterschaft bei dem Massaker in der Kirche, sondern lediglich wegen Beihilfe zum Völkermord, da nicht sichergestellt werden konnte, dass dem Angeklagten „eine derart wesentliche Funktion“ zugekommen sei. Verteidigerin Natalie von Wistinghausen kündigte bereits an in Revision zu gehen.
Die Bundesanwaltschaft ist jedoch sehr zufrieden mit dem Verfahren, und auch Amnesty International erklärte, dass der Prozess ein „wichtiges Signal“ gesetzt habe, da er gezeigt hat, dass rechtsstaatliche Verfahren wegen schwerer Menschenrechtsverbrechen in Deutschland möglich seien. Amnesty-Völkerstrafrechtsexperte Patrick Kroker sagte: „Bei Völkermord muss jeder Täter damit rechnen, vor Gericht gestellt zu werden“.
Justine Fiebig