Militärgericht verurteilt Zivilisten wegen Facebook-Post
Er kritisierte die Vorhergehensweise des Militärs und soll ins Gefängnis. Doch das Urteil widerspricht allen Vorsätzen der neuen Verfassung.
Als Yassine Ayari, in Frankreich lebender Tunesier, an Heiligabend am Flughafen Tunis ankommt, wird er für ihn unerwartet sofort verhaftet. Erst am darauffolgendem Tag wird ihm mitgeteilt, dass das tunesische Militärgericht ihn in seiner Abwesenheit im November verurteilt hat. Grundlage seiner Straftat: verschiedene Facebook-Postings im August und September 2014. Ayaris Schicksal ist kein Einzelfall. Noch am selben Tag wird Polizei-Gewerkschaftsführer Sahbi Jouni vom selben Gericht zu zwei Jahren Haft verurteilt. Auch er ist während der Verkündung des Urteils nicht anwesend.
Eric Goldenstein, stellvertretender Direktor der Organisation Human Rights Watch hält die Urteile für unvereinbar mit dem Anspruch des sogenannten neuen Tunesiens. Das Internationale Recht ist auf Ayaris Seite und nur deswegen muss er seine Haftstrafe nicht sofort antreten. Dieses verbietet zivile Fälle vor Militärgerichten zu verhandeln. Ayaris Anwalt verlangte eine Neuverhandlung. Diese wurde für den 26. Februar 2015 angesetzt.
Als Anhänger des Präsidentschaftskandidaten Moncef Marzoukie attackierte Ayari Präsident Beji Caid Essebsi verbal und das ganz öffentlich über einen Eintrag auf seinem Facebook-Profil. Er kritisierte Verteidigungsminister Ghazi Jeribi, weil dieser den Austausch der Führung des Militäraufklärungsdienstes ablehnte. So behauptete Ayari, das Verteidigungsministerium hätte Informationen bezüglich eines geplanten Angriffs auf Militante hatte, aber darauf nicht reagierte. Infolgedessen kamen 16 tunesische Soldaten ums Leben, 23 weitere wurden verletzt.
Dem Gericht zufolge, stellen Aussagen wie diese einen öffentlichen Angriff gegen die Politik des Landes und dessen militärische Führung dar und stellen damit ein Verstoß gegen Artikel 91 des tuneischen Code für militärische Gerechtigkeit dar. Auflehnung, Kritik und Destabilisierungsversuche können demnach mit bis zu drei Jahren Haft verurteilt werden.
Aber Artikel 91 widerspricht so gut wie allen Richtlinien Internationaler Vereinbarungen zu politischem und zivilen Recht auf freie Rede. Dieses Recht spricht auch die neue Verfassung Tunesiens von 2014 klar zu. Auch die Abwesenheit des Angeklagten macht eine gerechte Verhandlung unmöglich, bekommt er so doch gar keine Chance, seine Unschuld zu beweisen oder auch nur einen Rechtsbeistand zu wählen.
Das tunesische Parlament sollte Gesetze, die die freie Meinungsäußerung beschneiden, überarbeiten und die Verurteilung von Zivilisten vor Militärgerichten verbieten, äußerte sich Goldstein. „Unterdrückende Gesetze wie Artikel 91 des militärischen Gerechtigkeitskodes sollten keinen Platz in einem Land haben in dem grundlegende Menschenrechte die Basis der neuen Konstitution sind.“, so Goldstein weiter.
Jörg Schulze
Foto: Ahmed BEN YAGHLENE, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0