Übergabe der namibischen Gebeine aus Deutschland entfacht kritische Debatte über ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte
Doch die Enttäuschung über den Umgang mit dieser historischen Auseinandersetzung ist von namibischer Seite groß. Für die deutsche Bundesregierung scheint die Würdigung der Opfer nicht von großer Bedeutung zu sein; vielmehr sie versteht nicht, welch große Bedeutung, sie für Namibia hat. Es wird immer wieder die besondere Beziehung zwischen Deutschland und Namibia betont, doch diese bekommt Risse.
Während die Völker der Herero und Nama, von denen um die 65.000 Menschen zwischen 1904 und 1908 auf Befehl des deutschen Generals Lothar von Trotha abgeschlachtet wurden, auf eine Entschuldigung warten, erkennt die deutsche Bundesregierung den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts nicht als solchen an und verharmlost damit ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte; eine nationale Schande.
Um die 3000 Köpfe der Völkermordsopfer sollen sich in Deutschland aufhalten, die Bundesregierung ist so freundlich und lädt die namibische Delegation dazu ein, 20 dieser Köpfe wieder nach Namibia zu bringen. „Wo sind die restlichen hunderte, tausende Köpfe?“, fragt einer der Delegierten auf einer offenen Podiumsdiskussion im Haus der Kulturen der Welt. Die „Zeugen des deutschen Völkermords – Podiumsdiskussion aus Anlass der Rückführung menschlicher Gebeine aus der Charité nach Namibia“ fand am Abend des 29.09.2011 um 19 Uhr öffentlich statt. Geladen war die namibische Delegation, Vertreter der Parlamentsopposition sowie die deutsche Bundesregierung. Anwesend waren alle, Sascha Raabe für die SPD, Ströbele für die Grünen, Niema Movassat von den Linken, doch einer fehlte.
Und dieses Fehlen wurde zutiefst bedauert und sogar teilweise als respektlos und beleidigend empfunden. Die deutsche Bundesregierung hatte ihre Abwesenheit damit begründet, dass schon am Freitag bei der Übergabezeremonie Cornelia Pieper als Regierungsvertretung anwesend sein wird. Damit wurde den Namibiern gezeigt, dass sie von der Deutschen Regierung keine Entschuldigung erwarten müssen, denn genau darum sollte es in der Diskussion gehen. Namibia kam, anders als es in der Pressemitteilung des Deutschen Auswärtigen Amtes geschrieben wurde, nicht nur um die Gebeine der Opfer zurück in ihr Land zu überführen; sie kamen um einen wichtigen Dialog mit Deutschland zu führen. Man hatte sich einen fairen und gerechten Umgang mit der gemeinsamen Geschichte gewünscht, und das zu Recht.
Eine offizielle Entschuldigung, auf die Namibia seit über hundert Jahren wartet, schien nicht zu viel verlangt. „Is it because we are from Africa?“ (Ist es weil wir aus Afrika sind?), fragt einer der Delegierten. „Ich bin entsetzt, beschämt über die Regierung, die dieses Volk führt…“, sagt er weiter. Und immer wiederholt sich die Frage nach dem Warum. Warum erkennt die deutsche Bundesregierung das Massaker nicht als Völkermord an? Warum entschuldigt sie sich nicht offiziell? Warum muss Namibia darum betteln, seine Angehörigen wiederzubekommen? Warum kann man keinen Dialog führen und die nächsten Schritte gemeinsam vornehmen? Ist etwas Würde zu viel verlangt?
Auch wenn die Opposition das Verhalten der Regierung kritisiert, fragt man Ströbele, warum er der vom Bundestag verabschiedeten Resolution vom 16.Juni.2004 zugestimmt hatte, in der weder das Wort „Völkermord“ oder „Genozid“ noch eine Entschuldigung erwähnt wird. Die Resolution wird von Seiten Namibias als lächerlich empfunden. Der namibische Delegierte spricht weiter; über drei Stunden geht die Podiumsdiskussion und die Worte verhärten sich
. „Wir brauchen den Dialog. Wir wollten die Welt nicht wissen lassen, dass ihr noch an euren alten Ansichten festhaltet…Wie wollt ihr Deutschen leben?…Es geht darum in Frieden miteinander zu leben. Wir möchten mit euch sprechen, darum geht es. Warum denkt ihr immer, dass ihr wisst, was für alle anderen richtig ist“
Eine gute Frage. Wieso tun wir „Deutschen“ eigentlich immer so überheblich? Ist es weil die aus Afrika sind? Reicht denn unsere Entwicklungshilfe nicht? Da argumentiert man, damit, dass Namibia das Land ist, das am meisten Gelder für seine Entwicklung bekommt. Ja und? Hat das etwas mit Würde und Anerkennung zu tun? Nicht im Geringsten. Freitag wird sich die Bundesregierung der langsam ungeduldig werdenden Namibier stellen und Cornelia Pieper wird anlässlich der „feierlichen Übergabe der „verstorbenen“ Gebeine, wie das Auswärtige Amt so schön schrieb“ eine Rede im Namen der Bundesregierung halten. Wir werden dann sehen, ob der Sprecher der Delegierten Recht hat mit seiner Meinung über die Deutschen. Z.E. 01.10.2011