Völkermord in Ruanda: Lebenslänglich für Ngirumpatse und Karemera
Auch 17 Jahre nach den Ereignissen im Jahre 1994 ist deren Aufarbeitung noch lange nicht abgeschlossen. Das zeigt auch der gestrige Richterspruch des UN-gestüzten Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda, auf englisch International Criminal Tribunal for Ruanda (ICTR), mit Sitz in Arusha, Tansania. Ngirumpatse und Karemera – laut UN News Centre zwei „Schlüsselfiguren“ – wurden unter anderem des Genozids, der Anstiftung zum Genozid und mehrerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit für schuldig befunden.
Ngirumpatse, heute 72, war damals Vorsitzender der Hutu-Regierungspartei MRND, der 60-jährige Karemera sein Stellvertreter. Sie werden verantwortlich gemacht für die Verbrechen von Mitgliedern der Partei und insbesondere der Interahamwe-Miliz, die maßgeblich an der Ausführung des Genozids an den Tutsi beteiligt war. Auch über diese sollen die Politiker die Kontrolle gehabt haben, berichtet die ruandische Tageszeitung The New Times. Gemäß dem nun ergangenen Urteil hätten sie es versäumt, „notwendige und vernünftige Maßnahmen zu ergreifen, um die ihnen Untergebenen daran zu hindern, weitere Tutsi zu töten“.
Auch für die Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffe gegenüber dem Tutsi-Volk angehörenden Frauen und Mädchen, begangen von Milizen, Soldaten, aber auch von Tutsi-feindlichen Zivilisten, würden Ngirumpatse und Karemera Verantwortung tragen, weil sie die Täter weder abgehalten noch zur Rechenschaft gezogen hätten, so das Urteil.
Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge hatte die Anklage gesagt, die Männer hätten „übergeordnete Verantwortung“ innerhalb der MRND. Sie wären Mitglieder eines „gemeinsamen kriminellen Unternehmens“ gewesen, dessen Ziel es gewesen sei, das Volk der Tutsi auszurotten. Dem Völkermord fielen in nur 100 Tagen schätzungsweise 800 000 Tutsi und moderate Hutu zum Opfer.
„Unter Berücksichtigung der Schwere der Verbrechen, derer Karemera angeklagt wurde, sowie aller erschwerenden und mildernden Umstände, verurteilt das Gericht Edouard Karemera einstimmig zu lebenslanger Haft“, sagte der vorsitzende Richter Dennis Byron – und wiederholte das Gleiche für Ngirumpatse.
In Ruanda begrüße man das jüngste Urteil des ICTR zwar, schreibt The New Times, allerdings werfe man dem Gericht zugleich vor, mit zweierlei Maß zu messen. Es geht vor allem um die Fälle der Militärangehörigen Théoneste Bagosora und Anatole Nsengiyumwa, die zuerst auch lebenslange Haftstrafen erhalten hätten, welche dann aber auf 35 respektive 15 Jahre reduziert worden seien. Dabei würden die beiden Letztgenannten als nicht weniger schuldig am Genozid gelten als die nun verurteilten Ngirumpatse und Karemera – eher im Gegenteil: „Die Vordenker bekommen milde Urteile, während die, die unter ihnen standen, größere Strafen bekommen“, meint nicht nur François Byabarumwanzi, Vorsitzender eines parlamentarischen Gremiums in Ruanda, das sich mit dem Völkermord befasst.
Ngirumpatse wurde laut Daily News 1998 in Mali verhaftet, Karemera in demselben Jahr in Togo. Es sind noch immer nicht alle Verdächtigen gefasst, neun von ihnen sind bis heute flüchtig.
N. W., 22.12.2011