Entwurf steht

Entwurf steht

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Nach vier Monaten ist es nun soweit: der neue Entwurf der ägyptischen Verfassung, die 247 Artikel beinhaltet, wird am Dienstag dem Übergangspräsidenten Adli Mansur vorgelegt. Innerhalb von 30 Tage soll nun ein Volkentscheid einberufen werden, der über die Zukunft des neuen Entwurfes entscheiden wird.

Es gibt Stimmen aus dem Verfassungskomitee, die die neue Verfassung als Hoffnung auf Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit sehen – ganz wie es die Revolution gefordert hatte. Andere Stimmen wiederum sehen die Verfassung weniger euphorisch. Es sei zwar ein Schritt vorwärts, aber verglichen mit den internationalen Menschenrechtsstandards, bringe die neue Verfassung nicht genug Veränderungen.

Die alte Verfassung, die vom ehemaligen Präsidenten Mursi verabschiedet wurde, wurde nach seinem Sturz ebenfalls außer Kraft gesetzt. In der neuen Verfassung wurden zwar die Bezüge zur Scharia reduziert – Artikel 2 definiert aber weiterhin den Islam als Staatsreligion und die Prinzipien des islamischen Gesetzes als die Hauptquelle der Gesetzgebung. Dennoch soll die Al-Azhar-Moschee – Ägyptens wichtigste religiöse Einrichtung – keinen Einfluss mehr auf die Gesetzgebung haben. Das verantwortliche Gremium für Religions- und Glaubensfragen sei außerdem nun das Verfassungsgericht – ein Fortschritt.  Nichtsdestotrotz merkt man, dass sich Vertreter des konservativen Islams in einigen Punkten durchsetzen konnten. So zum Beispiel bei den Frauenrechten. Der Entwurf verbietet zwar Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit oder Religion; sollte aber die Freiheit der Frau im Konflikt mit der Scharia stehen, so müsse diese eingeschränkt werden.

Auch in anderen Punkten ist der neue Entwurf ähnlich zur alten Verfassung. Religionsfreiheit wird zwar theoretisch vorgeschrieben, allerdings gilt dies nur für den sunnitischen Islam, das Christentum sowie das Judentum. Ägyptische Schiiten und Bahai haben damit keine Glaubensfreiheit zugesprochen bekommen und können ihren Glauben weiterhin nicht offen ausleben.

Dennoch ist hervorzuheben, dass es auch positive Änderungen gab. So sind nun religiöse Parteien verboten. Damit können die Parteien „Freiheit und Gerechtigkeit“ – der politische Arm der Muslimbruderschaft und die „Partei des Lichts“ – erzkonservative Salafisten, nicht mehr zu einer Wahl antreten. Bei der Wahl 2011 konnten diese beiden Parteien noch zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinigen.

Der neue Entwurf sieht außerdem ein ausgewogenes Machtverhältnis zwischen Parlament und Präsidenten vor. Untergraben werden kann dieses Verhältnis nur vom Militär, dass weiterhin weitreichende Privilegien genießt, so behält sich das Militär das Recht vor in den kommenden zwei Legislaturperioden den Außenminister zu bestimmen. Diese Sonderrechte können eine Gefahr darstellen, waren aber angesichts der Situation unausweichlich.

Da der neue Entwurf unbedingt angenommen werden muss, sind die führenden Kräfte viele Kompromisse eingegangen – sicherlich nicht immer zum Vorteil der Bevölkerung. Angesichts der kritischen und besonderen Lage in Ägypten ist ein solcher Kompromiss aber vielleicht die einzige Möglichkeit, das Land zur Ruhe zu bringen. Ob der Entwurf wirklich eine Verbesserung bringt, wird erst die Zeit zeigen können.

 

Aileen Arndt

 

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