Der Protest marschiert zum Reichstag

Der Protest marschiert zum Reichstag

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Foto: Afrika Medien Zentrum/ Ronja Sommerfeld

Wie viele es sind, sei kaum zu sagen, erklärt eine freiwillige Helferin am Oranienplatz. Die Zahl ändere sich täglich und liege etwa zwischen 100 und 500 Menschen. Unterstützung aus der Umgebung bekommen die Flüchtlinge inzwischen eine Menge: Nicht nur gibt es viele Helfer und Helferinnen, auch zahlreiche Materialspenden haben die Zelte erreicht. Vor dem ‚Materialzelt‘ hängt sogar ein Schild mit der Aufschrift „Thank you, we need no more clothes“. Die Vorstellung der in Zelten frierenden Aktivistengruppe hat wohl viele dazu bewegt, ihren Kleiderschrank auszumisten. Und den Winter werden sie wahrscheinlich hier verbringen: „Wir bleiben, bis alle Forderungen erfüllt sind“, heißt es. Das hat sich in der Demonstration am Wochenende wiedergespiegelt. Mehr als 4000 Menschen, so ein Teilnehmer waren am Samstag dabei. Doch die Reaktionen sind nicht nur positiv: Oft stößt der Protestmarsch auf Unverständnis und teilweise auch Aggression. Am heutigen Dienstag, 16. Oktober, begann die Polizei überraschend, einige der Aktivisten festzunehmen. Das Camp reagierte mit einer Demonstration am Oranienplatz und vor der nigerianischen Botschaft, da die nigerianische Regierung offenbar mit der deutschen in Sachen Abschiebepolitik kollaboriere.

Was genau wollen sie erreichen? „Wir wollen wie andere Menschen sein, wie normale Menschen“, sagt Alijan aus Afghanistan. Wie ‚normale‘ Menschen werden sie bis jetzt nicht behandelt: Asylbewerber in Deutschland dürfen zum Beispiel nicht den Bezirk verlassen, der ihnen zugewiesen wird. Das heißt etwa, dass, wer in Mainz wohnt und Familie in Frankfurt hat, diese nicht besuchen kann. Dann würde er oder sie sich strafbar machen. Zudem sind die Flüchtlinge in Sammelunterkünften untergebracht, wo sie oft jahrelang leben. In diesen Unterkünften ist meist gerade mal Platz für ein Bett pro Person. „Residenzpflicht“, heißt das auf Juristendeutsch. Und selbst ihre Lebensbedingungen verbessern? Das ist ihnen auch verboten, denn sie dürfen nicht arbeiten, zumindest nicht im ersten Jahr ihres Aufenthalts. Selbst ihr Essen suchen sie nicht selbst aus: Sie bekommen Essenspakete. All das trennt sie von der normalen Bevölkerung. Es fragt sich, wie da die vieldiskutierte ‚Integration‘ gefördert wird.

Alijan und die Gemeinschaft der Flüchtlinge im Protestcamp werden weiter alles tun, um diese Situation zu ändern. Da macht es auch nichts, in großen Sammelzelten zu schlafen und mal hier, mal da mitzuhelfen, sei es in der ‚Küchengruppe‘, im Kinderzelt oder im Infozelt. Und auch die Aussicht, im Winter zu frieren, schreckt keinen von ihnen ab.

Wer die „Refugee Tent Action“ in ihren Forderungen unterstützen will, kann gerne am Oranienplatz oder im Netz auf http://www.refugeetentaction.net/index.php?lang=de vorbeischauen.

                                                                                                                                                     Ronja Sommerfeld

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