Die Probleme der Erdölförderung in Afrika am Beispiel von Nigeria

Die Probleme der Erdölförderung in Afrika am Beispiel von Nigeria

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Erdöl ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Für fast alles, was wir produzieren, benötigen wir es. Doch geht das Geschäft mit dem flüssigen Gold oft zu Lasten der Länder, aus denen es kommt.

Ein anschauliches Beispiel dafür, welche Ausmaße sie annimmt, ist Nigeria.

Nigeria ist größter Erdölförderer und Exporteur Afrikas. Doch statt von den Millionengewinnen zu profitieren, leiden Bevölkerung und Natur unter den Auswirkungen. Heute geht es ihnen schlechter als vor Beginn der Erschließung 1958. Somit ist das Land ein Vorzeigebeispiel dafür, wie viel die Gier nach Öl zerstören kann.

Gier und Umweltverschmutzung

Bereits seit über 50 Jahren beuten internationale Konzerne die Ressourcen des Nigerdeltas aus, Shell ganz vorn an der Spitze, danach Chevron, ExxonMobil und Total. Unbegreiflich ist die geringe öffentliche Aufmerksamkeit, denn das Nigerdelta ist eines der 10 wichtigsten Feuchtbiotope und küstennahen Meeresökosysteme weltweit. Doch seit Beginn der Förderung bis heute ist von der einzigartigen Natur nicht mehr viel übrig geblieben. Allein in den letzten 50 Jahren gelangten zwischen 9 und 13 Mio. Barrel Rohöl in die Natur. Ein Barrel entspricht 158,97 Litern. Die Menge des dort ausgelaufenen Rohöls übersteigt jede bisherige Ölkatastrophe um Längen. Die dadurch verursachte Verschmutzung von Luft, Wasser, Böden und Wald hat schwerwiegende Auswirkungen auf die ansässige Bevölkerung. Das liegt daran, dass 75 % der im Nigerdelta lebenden Menschen vom Ackerbau oder von der Fischerei leben. Sie können sich nun nicht mehr mit genügend Nahrung versorgen, geschweige denn durch Überproduktion etwas Geld dazuverdienen.

Armut und vergessene Bevölkerung

Eine weitere Frage ist auch, wieso es der Bevölkerung so schlecht geht, wo das Bruttoinlandsprodukt Nigerias 2011 bei rund 235 Mrd. US-Dollar lag. Das liegt besonders daran, dass Korruption in Politik und Wirtschaft allgegenwärtig ist. Im Korruptionsreport 2011 von Transparency International belegt Nigeria Platz 148 von insgesamt 183. Kein Wunder also, wenn die Wut der Bevölkerung über die Ölmultis und die Politik stetig wächst, das Millionengeschäft wird schließlich auf ihrem Rücken ausgetragen. Die Zahlen sind erschreckend, eins von fünf Kindern stirbt vor seinem fünften Lebensjahr, 70 % der Bevölkerung leben von weniger als einem US-Dollar pro Tag und die durchschnittliche Lebenserwartung sank auf 44 Jahre. Seit 1976 wurden mehr als 6000 Lecks an Ölpipelines registriert, davon wurden jedoch weniger als 25 % repariert. Angaben von Shell zufolge sind die Gründe für die zahlreichen Lecks mutwillige Zerstörung und das Anzapfen von Leitungen durch Teile der Bevölkerung. Nicht selten kommt es vor, dass es bei solchen Aktionen Verletzte und Tote gibt, meist verursacht durch eine Explosion. Doch die eigentliche Ursache der zahlreichen Lecks ist wohl doch eher bei den Konzernen selbst zu suchen. Die Leitungen sind meist schon sehr alt, marode und werden nicht gewartet. Da kommt es schonmal vor, dass Öl unbemerkt über mehrere Tage und Wochen austritt, ohne dass etwas unternommen wird.

Ein gutes Beispiel dafür ist wohl eine der weltweit größten und unbeachtesten Ölkatastrophen. Diese ereignete sich über den Zeitraum von 2008 und 2009 in Bobo, einer Gemeinde mit 70.000 Einwohnern im Nigerdelta. Dort flossen aus zwei maroden Pipelines über Wochen mehrere Tausend Tonnen Öl in die Natur. Shell bestätigte zwar sein eigenes Versagen, indem er Sabotage als mögliche Ursache ausschloss, trotzdem wurde bis heute keine Entschädigung, weder an die Regierung noch an die Bevölkerung, gezahlt, und die versprochene Sanierung des verseuchten Gebiets blieb bis jetzt aus. Wieso die Regierung bis jetzt nur wenige Entschädigungsforderungen an Shell richtete und der Konzern diesen nur unzureichend Folge leistete, ist unklar. Dass Shell sich gegen Zahlungen und Sanierungsarbeiten weigert, liegt vielleicht einfach daran, dass die Regierung es lange versäumt hat, Forderungen zu stellen und diese wenn mit zu wenig Nachdruck äußerte. Die Entschädigungszahlungen würden dem Land auf jeden Fall nicht schaden, im Gegenteil.

Auch Weihnachten 2011 blieb eine schwere Ölkatastrophe beim Ölfeld Bonga, vor der nigerianischen Küste, weitgehend unbeachtet. Dort flossen nach Angaben von Shell 30 000 bis 40 000 Barrell Öl ins Meer, nach Einschätzung von Nnimmo Bassey, Direktor der nigerianischen Umweltorganisation, sind diese Angaben eine maßlose Untertreibung. Doch diesmal fordert die Regierung eine Entschädigung von 125 000 Dollar pro Barrell. Zum Vergleich: Bei der Katastrophe von „Deepwater Horizon“ vor dem Golf von Mexiko musste der BP-Konzern lediglich 4300 Dollar pro Barrell zahlen. Ob Shell den Zahlungen Folge leistet, bleibt bei solch enormen Forderungen abzuwarten. Ein Sprecher des Konzerns bezeichtete die Forderungen der Regierung bereits nur als „Vorschlag“.

Fairness gegenüber Mensch und Natur

‚Jubilee‘ ist ein Erdölfeld in Ghana, es liegt 60 Kilometer vor Ghanas Küste in einer Tiefe von circa 1000 Metern. Bei seiner Entdeckung im Jahr 2007 wurde es noch für klein gehalten, doch bald war klar, dass Ghana mit dieser Entdeckung zum sechstgrößten Erdölproduzenten Afrikas werden würde. ‚Jubilee 1‘ wurde schnell gebaut und ging im Dezember 2010 in Betrieb. Derzeit werden dort bis zu 17,5 Millionen Tonnen täglich gefördert.

Das Erdgas, das bei ‚Jubilee 1‘ während der Förderung an die Oberfläche gelangt, wird jedoch nur zu einem Teil abgebrannt. Bis zu drei Millionen Kubikmeter Gas werden täglich an Land gebracht und zur Herstellung von dringend gebrauchter Energie genutzt. Das Projekt war so erfolgreich, dass die Weltbank Ghana im Jahr 2009 zur stärksten Wachstumsregion (Afrikas?) erklärte. Doch trotz des Erfolgs sehen viele die Erdölförderung sehr kritisch. Ein Blick ins Nachbarland Nigeria genügt, um sich der Risiken bewusst zu werden.

Am 7. Dezember 2008 fanden in Ghana die fünften Parlaments- und Präsidentschaftswahlen seit der Rückkehr zum Mehrparteiensystem 1992 statt. Als neuer Präsident wurde John Atta Mills gewählt. Vielleicht hat die politisch gewonnene Stabilität auch einen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Nigeria hat viel falsch gemacht seit Beginn der Ölförderung, Ghana fängt jedoch gerade erst an. Jetzt kommt es darauf an, so schnell wie möglich ein Konzept zu entwickeln, in dem der nachhaltige Umgang mit Mensch und Natur im Mittelpunkt steht.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Ein Mann sollte im Zusammenhang mit der Erölförderung im Niger-Delta umbedingt erwähnt werden: Kenule Beeson Saro-Wiwa.

Er wurde am 10. Oktober 1941 im Nigerdelta geboren. Nach seinem Studium an der Universität von Ibadan, setzte er sich als Bürgerrechtler in seiner Heimat für Umweltschutz und Menschenrechte ein. 1989 gründete er die Organisation Movement for the Survival of the Ogoni People (MOSOP). Hauptziele waren die Sanierung der durch die Erdölförderung geschädigten Gebiete und die Beteiligung der Bevölkerung an den Gewinnen. Dabei war es ihm immer wichtig, seine Ziele gewaltfrei durchzusetzen. Einer seiner größten Erfolge war die Demonstration 1993, an der cica 300 000 Bewohner des Niger-Deltas teilnahmen. Shell stellte darauf hin seine Tätigkeit im Niger-Delta kurzweilig ein. Immer wieder wurde Saro-Wiwa von der Militärregierung inhaftiert, bis er dann am 10. November 1995 nach einem Schauprozess hingerichtet wurde. Doch mittlerweile hat sich viel geändert: 1999 wurde die Militärregierung abgelöst, und es fanden Wahlen statt. Seitdem wurden keine Todesurteile mehr vollstreckt und die Menschenrechtslage in Nigeria hat sich spürbar verbessert. Gute Vorraussetzungen, um sich wieder aktiv für den Erhalt des Niger-Deltas und die dort lebenden Menschen einzusetzen.

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