Rätsel der Rückkehr

Rätsel der Rückkehr

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Anfang Juli wurde dem Haitianer Dany Laferrière in Berlin der internationale Literaturpreis des Haus der Kulturen der Welt verliehen. Ein Mensch, ein Werk zwischen den Kontinenten.

Foto: Afrika Medien Zentrum

In Lesungen und Gesprächen erkunden die Autor_innen und Übersetzer_innen der Shortlist ihre Texte und Übertragungen, sprechen mit Jurymitgliedern über literarische Motive und Weltzugänge, den Umgang mit Worten und Sprache. Der Internationale Literaturpreis des Haus der Kulturen der Welt wurde am 3. Juli 2014 an den haitianischen Schriftsteller Dany Laferrière und seine Übersetzerin Beate Thill vergeben.

Sein Buch „Das Rätsel der Rückkehr“ ist zugleich Gedicht, Roman, Essay, und (Reise-)Tagebuch einer Rückkehr in sein Geburtsland Haiti. Sein Sprachstil folgt in diesem Werk bewusst den Spuren von Aimé Cesaires poetischem Manifest „Cahier d’un retour au pays natal“. Die subtile Dialektik von Heimat und Fremde verdichtet sich bei ihm zu einem Monolog, der Autor wie Leser in einem rhythmischen Sog fortreißt. Einen Ausschnitt davon las er zum Anlass der Preisverleihung in französischer Sprache für das Berliner Publikum. Bereits in seinen frühen literarischen Arbeiten spielt thematisch die „epische Chronik des Exils“ eine wichtige Rolle. „Das Rätsel der Rückkehr“ wurde zuvor in Paris mit dem Prix Médicis ausgezeichnet. Auf den Erinnerungsspuren des verstorbenen Vaters spannt er einen Bogen ins eigene Innere als Monolog, beginnend als Reise ans Ende eines Tages, die im kanadischen Exil des Vaters beginnt, über Paris und New York bis zum Lebensende nach Port-au-Prince zurückführt. Der Schriftsteller Hans Christoph Buch, der die Laudatio bei der Preisübergabe im Haus der Kulturen der Welt hielt, bezeichnet Dany Laferrière „als einen Meister frivoler, melancholischer oder einfach nur witziger Buchtitel, mit denen er die Neugier der Leser weckt und Kritiker an der Nase herumführt: Getäuschte Erwartung heißt der Fachausdruck dafür.“

In einem Amnesty International Journal wird sein Buch als „Poesie, Ahorismen, Kurzreportage – all das kunstvoll montiert zu einem Text, der von einem Besuch in Haiti erzählt, davon, wie es dazu kam“, zitiert. Zu Zeiten der Duvalier-Diktatur, als Dany Laferrière 1976 als junger Journalist mit knapper Not entkam, geboren 1953 als Sohn eines politisch engagierten Vaters, arbeitete er als freier Mitarbeiter des Radiosenders Haiti Inter und der Zeitschrift „Le Petit Samedi Soir“, die als einzige das Regime von „Baby Doc“ zu kritisieren wagten. Heute gehört er zu den bedeutendsten Autor_innen der karibischen Frankofonie und zu den prägendsten Exilschriftsteller_innen Haitis. Von dieser Insel, die sich als erstes Land von der Sklaverei befreite und erste „Republik von Schwarzen und Mulatten“ wurde, fließt vieles in sein Werk ein. Vor kurzem wurde Laferrière Ehrenmitglied der „Académie française“ in Paris. 1985 erschien sein erster Roman im Exil mit dem damals sehr provokativen Titel „Comment faire l’amour avec un nègre sans se fatiguer“ („Wie man mit einem Schwarzen Liebe macht, ohne müde zu werden“). Er fühlt sich im „afrikanischen Surrealismus“ beheimatet, den Aimé Cesaires politisches Manifest, karibisch gesprochen, als Hochzeit von Surrealismus und Négritude vollzog. Aus seiner Leseprobe in Berlin:

Der Anruf

Die Kunde schneidet die Nacht entzwei.

Die fatale Nachricht am Telefon,

die jeden Mann reiferen Alters einmal erreicht.

Mein Vater ist soeben gestorben.

 

Ich fuhr heute früh am Morgen los.

Ohne Ziel.

Wie ab jetzt mein Lieben.  …

 

„Der Tod verscheidet in der weißen Lache des Schweigens“,

schreibt der junge Poet aus Martinique, Aimé Césaire,

im Jahr 1938.

Was weiß man von Exil und Tod,

mit kaum fünfundzwanzig?

 

Beate Thill, seine Übersetzerin, erhielt für ihre deutsche Übersetzung aus dem Französischen von „L’énigme du retour“, „Das Rätsel der Rückkehr“, gemeinsam mit dem Autor diesen wichtigen internationalen Literaturpreis: „Der sprachliche Rhythmus des Originals im Wechsel von Lyrik, Prosa und essayistischer Reflexion wird treffend eingefangen in ihrer einfühlsamen Übersetzung des Buches von Danny Laferrière“, heißt es in der Begründung der Auswahl des Hauses der Kulturen der Welt.“  Thill gilt seit 1983 als literarische Übersetzerin aus dem Englischen und Französischen mit dem Schwerpunkt Literatur aus dem sogenannten Süden, vor allem aus Afrika und der Karibik. Sie hat bereits Werke von unter anderen der Algerierin Assia Djebar, des Tunesiers  Abdelwahab Meddeb, des kongolesischen Lyrikers Tchicaya U Tam’si und des karibischen Autors Èdouard Grissant übersetzt. Zuletzt übersetzte sie für den Verlag Das Wunderhorn den Roman „Die Spur des Anderen“ des ebenfalls karibischen Autors Patrick Chamoiseau. Diese Preisverleihung war eine überraschende Wahl der Jury auf dem deutschsprachigen Buchmarkt in ihrer Auswahl der Literaten zwischen Europa, Asien, Lateinamerika und Afrika.

Ulrike Denk

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