What we see

What we see

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Eine Frau beschwert sich, sie habe ihr Kopftuch absetzen müssen. Es sei auch nicht in Ordnung, wenn ein Gesicht von dem Ort entfernt würde, wo es doch hingehöre. Die Beschwerden der Afrikanerin blieben fast 80 Jahre lang ungehört. Sie wurden 1931 zwar dokumentiert, aber nicht verstanden, denn: sie interessierten überhaupt nicht.

1931 saß die Frau mit dem deutschen Künstler und Abenteurer Hans Lichtenecker einem selbsternannten Anthropologen gegenüber, der für sein "Archiv aussterbender Rassen" in Namibia, dem ehemaligen (Deutsch-)Südwestafrika, Afrikanerinnen und Afrikanern fotografierte, Gipsabgüsse von ihren Köpfen und Gesichtern machte und ihre Stimmen auf Wachswalzen aufzeichnete. Erst kürzlich wurden die Aufnahmen wiederentdeckt und übersetzt. Was die derart Untersuchten 1931 über das beklemmende Anthropometrie-Projekt und über ihr Leben in der südafrikanischen Kolonie mitteilten, erfahren wir erst heute.

Die Berliner Kulturwissenschaftlerin und Afrikanistin Anette Hoffmann ist derzeit im Rahmen des SARChI Social Change Program an der University of Fort Hare in Südafrika tätig. Sie hat Lichteneckers verstörende Hinterlassenschaft, die den europäischen Rassismus und Kolonialismus des frühen 20. Jahrhunderts dokumentiert, nun in einer Ausstellung für die Gegenwart verstehbar zusammengeführt. Die kritische Aufarbeitung von Lichteneckers Projekt dekonstruiert auf eindrückliche Weise die erniedrigende Praxis der Vermessung des Menschen im ehemaligen (Deutsch-)Südwestafrika seit dem späten 19. Jahrhundert. Nach Stationen in Kapstadt/Südafrika, Basel und Wien ist die Präsentation nun erstmals auch in Deutschland zu sehen.

What We See rückt das Sprechen der Menschen in den Mittelpunkt, die Lichteneckers pseudowissenschaftliche Arbeit am eigenen Leib erfahren und erdulden mussten. Die Ausstellung konstruiert einen fragilen Raum von Bildern und Stimmen, Geschichten und Porträts, historischen Dokumenten und aktuellen Kunstwerken. Das koloniale Körperarchiv von Hans Lichtenecker wird dabei bewusst nicht nachgebildet. Auch seine Gipsabgüsse sind nicht zu sehen. Vielmehr werden Lichteneckers audiovisuelle Repräsentationspraktiken kritisch und mittels unterschiedlicher Ton- und Bildmedien beleuchtet.

What we see

Bilder, Stimmen, Repräsentation
Zur Kritik einer anthropometrischen Sammlung aus dem südlichen Afrika

4. Dezember 2011 bis 12. Februar 2012
Kulturgeschichtliches Museum / Akzisehaus

Öffnungszeiten
Dienstag bis Freitag 11 bis 18 Uhr
Samstag und Sonntag 10 bis 18 Uhr
Eintritt: 2 Euro; ermäßigt 1 Euro

Bushaltestelle: Heger Tor
Parken: Stadthausgarage, Nikolaigarage

Information:
E-Mail: museum@osnabrueck.de
Telefon: 0541 / 323-2207

Begleitpublikation

Anette Hoffmann (Hg.): What We See. Reconsidering an Anthropometrical Collection from Southern Africa: Images, Voices, and Versioning (Basler Afrika Bibliographien), Basel 2009 (in englischer Sprache mit vielen Fotografien, Tontranskriptionen und Übersetzungen)

Sonderveranstaltungen

Vortrag und Diskussion
Donnerstag, 12. Januar 2012, 19 Uhr
Osnabrück und Afrika. Spuren eines kolonialen Erbes
Dr. Thorsten Heese, Osnabrück
Eintritt 5/3 Euro
Osnabrück verbindet historisch weit mehr mit dem "schwarzen Kontinent", als man auf den ersten Blick denken könnte. An der deutschen Kolonialgeschichte waren auch Osnabrücker Kaufleute und Soldaten, Fabrikanten und Konsumenten, Missionare und Seefahrer beteiligt. Der Vortrag klärt über das koloniale Erbe der Stadt auf.

Stadtrundgang (Treffpunkt am Museum)
Sonntag, 22. Januar 2012, 15.00 Uhr
"Man sieht nur das, was man weiß"
Koloniale Spurensuche in Osnabrück
Eintritt 6/4 Euro (inkl. Kaffee/Schokolade)
Es ist heute kaum noch bewusst, dass Deutschland 1884 bis 1918 Kolonialmacht gewesen ist. Aufgrund der späten Nationalstaatsbildung von 1871 vollzog sich die deutsche Besitznahme überseeischer Kolonien besonders aggressiv. Osnabrück hatte an dieser Epoche ebenfalls einen beträchtlichen Anteil. Der Stadtrundgang begibt sich auf eine Spurensuche nach diesem kolonialen Erbe im Stadtbild.
Nach einer kurzen Pause im Servicebereich des Museums bei Kaffee und Schokolade besteht die Möglichkeit, die Ausstellung "What we see" zu besichtigen.

Museumspädagogische Angebote

What we see – Bilder, Stimmen, Repräsentation
Führung (45 Minuten)

Die Ausstellung thematisiert das beklemmende „Archiv aussterbender Rassen“, das der deutsche Abenteurer Hans Lichtenecker 1931 im ehemaligen (Deutsch-)Südwestafrika anlegte. Der selbsternannte Anthropologe fotografierte Afrikaner, machte Gipsabgüsse von ihren Köpfen und Gesichtern und zeichnete ihre Stimmen auf Wachswalzen auf. What we see rückt das Sprechen der Menschen in den Mittelpunkt, die Lichteneckers pseudowissenschaftliche Arbeit am eigenen Leib erfahren und erdulden mussten. Die Ausstellung visualisiert zugleich den Übergang vom europäischen Chauvinismus der Kolonialzeit zum Rassismus der nationalsozialistischen Ära.

Im Anschluss an die Führung besteht in der Mediathek des Museums die Möglichkeit, über die Ausstellung zu diskutieren.

Was wir (nicht) sehen – Auf kolonialer Spurensuche in Osnabrück
Stadtrundgang mit anschließender Besichtigung der Ausstellung 120 Minuten; Treffpunkt am Museum (Akzisehaus)

Es ist heute kaum noch bewusst, dass Deutschland 1884–1918 Kolonialmacht gewesen ist. Aufgrund der späten Nationalstaatsbildung von 1871 vollzog sich die deutsche Besitznahme überseeischer Kolonien besonders aggressiv. Osnabrück hatte an dieser Epoche ebenfalls einen beträchtlichen Anteil. Der Stadtrundgang begibt sich auf eine Spurensuche nach diesem kolonialen Erbe. Nach einer kurzen Pause im Servicebereich des Museums besteht die Möglichkeit, die Ausstellung "What we see" zu besichtigen.

Rassismus, Kolonialismus und Chauvinismus in Deutschland

Workshop und Ausstellungsrundgang für Schulklassen ab Jahrgang 9
90 Minuten; Treffpunkt Villa Schlikker (Erdgeschoss)

Was prägte in der deutschen Kolonialzeit das Bild der Deutschen von den Kolonisierten? Wie wurden Afrikaner dargestellt? Was hat das mit unserer heutigen Wahrnehmung zu tun? Um all dies herauszufinden, werden in dem Geschichtsworkshop originale Sammlungsgegenstände vorgestellt, die sonst nicht in der Dauerausstellung zu sehen sind.

Es wird darüber diskutiert, was eigentlich materielle Quellen sind und wie wir mit ihrer Hilfe etwas über die Vergangenheit erfahren. Die Sammlungsstücke werden wie von richtigen Museumsexperten "inventarisiert" und ihre Geschichten "recherchiert". Die Fundergebnisse werden anschließend im Gesprächskreis vorgestellt. Danach wird die Ausstellung "What we see" besucht.

Informationen und Buchung

Museumspädagogischer Dienst
Ralf Langer
E-Mail: langer@osnabrueck.de
Telefon: 0541 323-2064
Fax: 0541 323-2395

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